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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Zeit darauf kommt Vult auf den Gedanken, zu dem Bruder auf das Zimmer zu ziehen, teils aus Liebe, teils wegen des gemeinschaftlichen Romans, an dem sie noch immer schreiben, teils wegen des ersparten Mietzinses. Das Zusammenleben der Brüder, das nun beginnt, ist vielleicht das Innigste und Schönste, was Jean Paul überhaupt geschrieben hat. Jean Paul beginnt die Schilderung dieses Winters mit einem Tagebuch Vults, in dem dieser den eigentlichen Zweck seines Hinüberziehens angibt: Auch er liebt Wina und hat sich das Fenster in Walts Zimmer zum Sitz ausersehen, um in den Garten hineinsehen zu können, in dem Wina oft mit ihrer Freundin Raphaela wandelt. Walts Liebe zu Wina ist ihm unbekannt geblieben, vielmehr glaubt er den Bruder in Raphaela verliebt. In diesem Zimmer, durch eine künstliche Theaterwand in zwei Teile geteilt, spielt sich nun, ähnlich wie in der kleinen Wohnung des Armenadvokaten im »Siebenkäs«, der Roman dieses Zusammenlebens der beiden Brüder ab, die sich immer mehr ineinander zu versenken suchen und doch immer mehr, schon durch die gemeinschaftliche Liebe zu Wina, von der keiner von beiden weiß, voneinander entfernen. Tagüber schreiben sie an dem Roman »Hoppelpoppel oder das Herz«. Draußen legt sich der Winter auf den Garten. Die Einkünfte der Brüder hören auf. Vult verdient nichts mit Konzerten, Walt bekommt keine Notariatsakte zu machen. In ihrer Not beschließen sie, den ersten Teil des Manuskriptes an einen Verleger zu senden. Ihre Wahl fällt auf Herrn Dyk in Leipzig, bei dem ja bereits der Leipziger Student mit Manuskripten hausiert hatte. Vult trägt das Paket mit einem stolzen Begleitschreiben auf die Post, »um einmal wieder die Welt zu sehen«. Überhaupt werden die Leipziger Zeiten wieder durch den Dichter beschworen. Walt geht in die Hofkirche, um Eindrücke der großen Welt zu gewinnen und sie desto sicherer in dem Roman abmalen zu können. Es ist genau wie damals, als der junge Richter Wand an Wand mit seinem Oerthel in der Petersstraße wohnte und seine Manuskripte in der Welt umherirren ließ.
    In der Enge seiner kleinen Zimmerwelt ist Walt überglücklich. Vult hingegen drängt es allmählich wieder ins Leben zurück. Er geht in der Dämmerung aus, besucht Kaffeehäuser und Lustbarkeiten. Walt muß sich dabei überraschen, daß ihm die Einsamkeit süßer schmeckt, wenn der Bruder ausgegangen ist. Ungestört kann er dann seinen Träumereien nachhängen. Wir ahnen, daß das Siebenkäs-Lenette-Schicksal sich dunkel zwischen den Brüdern aufrichtet. Wie aber wird es weiter werden, da eines Tages Wina wieder in der Stadt ist und jeden Tag im Garten erscheinen kann?
    Vorderhand aber erschien der Setzer des Buchhändlers Pasvogel, um den ersten Korrekturbogen zu bringen, von denen Walt nach den Bestimmungen des Testaments zwölf zu korrigieren hatte. Diesmal ging es mit einundzwanzig Fehlern ab. Vult bot indessen das Manuskript der Brüder Herrn Pasvogel selber an und machte es dabei, wie es Jean Paul auf der Leipziger Messe einst mit dem Verleger Hartknoch gemacht hatte: daß er dem Buchhändler einen Brief überreichte, als dessen Verfasser er dann selbst auf einmal vor ihm stand. Die Antwort Pasvogels ist der wirklichen Hartknochs nachgezeichnet. Statt eines freundlichen Einverständnisses weist der Buchhändler kühl ab und hat noch nicht einmal den Witz verstanden. Aber es kommt wirklich der Tag, da die Zofe Winas im Hause erscheint und Raphaela Neupeter einen Brief der Freundin bringt und an Walt einen Brief des Generals selbst, der ihn auffordert, im Abschreiben der erotischen Memoiren forzufahren.
    Einen ganzen Tag lang hat Walt im Hause des Generals zu tun. Ein letzter Tag, aber er bringt den Stein ins Rollen. Wina setzt sich zu dem Abschreiber und verrät deutlich ihr Interesse an seiner Person. Aber schließlich wissen wir nicht, ob sie über ihn nicht nur die Verbindung mit Vult sucht. Wina will ihre Freundin Raphaela zum Neujahrstag durch ein Ständchen in der ersten Frühe überraschen. Vult, so hat sie sich ausgedacht, soll ihren Gesang mit seiner Flöte unterstützen. Aber zugleich soll Vult, den sie für den Verfasser der gefühlvollen Streckverse in der »Haslauer Zeitung« hält, ein solches Gedicht verfassen und in Musik setzen. Ganz überrascht ist Walt, daß auch Vult Streckverse im Blatt veröffentlicht habe. Wina sagt ihm einen auf, und es ist ein von Walt selbst verfaßter, den er nun von den Lippen der Geliebten genießt. Als Wina hört, daß Walt

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