Saemtliche Werke von Jean Paul
Freunde mögen auch damals, wie jetzt Vult, mit Bitterkeit dieses Unbefriedigtsein durch ihren Verkehr vermerkt haben. An einem Sonntagnachmittag geht Walt in das Rosental, ein Vergnügungsetablissement, das an das gleichnamige Leipzigs erinnert. Die ganze vornehme Welt von Haslau ist dort versammelt. Walt erregt als Haupterbe van der Kabels allgemeines Aufsehen. Der stets lustige und verschuldete Elsässer Flitte, wie erinnerlich einer der Akzessiterben, erregt seine Sympathie. Durch Flittes Vermittelung lernt er auch die Neupeterschen Damen kennen, in deren Hause er wohnt. Aber sein ganzes Herz wird angezogen von einem feurig schönen Jüngling, der zu Roß ins Rosental gekommen ist und durch seine im Vorübergehen von Walt aufgefangenen Worte über Philosophie, Dichtung und Schiffsbau seine Bewunderung erregt. Es ist der Graf Klothar. Vult sieht mit Bitterkeit zu, wie der geliebte Bruder im Kielwasser dieser stolzen Fregatte segelt und keinen Blick von dem Herrlichen abwendet, während der junge Graf sich durch Walts Anstaunen lediglich belästigt fühlt.
Der Graf wohnt in einem Gartenhause. Wult besucht jetzt täglich diesen Garten, um den Angeschwärmten zu treffen, findet aber keine Gelegenheit, sich ihm zu nähern. Eines Morgens bestellt ihn ein Bote des Generals Zablocki, dem bekanntlich die eine Hälfte des Dorfes Elterlein gehört, heraus zu einem Notariatsakt, wenige Stunden später wird er durch den gleichen Boten wieder abbestellt. An der Wirtstafel erfährt er, daß die Eheklauseln zwischen Wina Zablocki und dem Grafen Klothar aufgesetzt werden sollten. Wie erstaunt er über diese Verbindung zwischen den beiden Menschen, denen sein Herz gehört. Wina hat ihn nämlich einst in seiner Knabenzeit als kleines Mädchen besucht, als er krank an den Blattern lag und fast erblindet war, und ihre Stimme war ihm unvergeßlich geblieben. Seit jener Zeit bewohnte die kleine Wohltäterin in seinem Herzen eine heilige Kammer. Und nun war sie gar die Verlobte des Grafen Klothar! An der Wirtstafel erfuhr er auch, daß es mit der Verlobung des Grafen und Winas eine besondere Bewandtnis und mancherlei Schwierigkeiten hatte. Der General und seine Tochter waren Katholiken. Die in Dresden wohnende Mutter gehörte der protestantischen Kirche an. Protestantisch war auch der Graf. In dem Ehekontrakt war also vieles zu bedenken, und der junge Notar vermutete, daß infolge dieser Schwierigkeiten die Aufsetzung des Instruments noch hinausgeschoben worden wäre. Auf anderm Wege suchte er sich den beiden geliebten Menschen zu nähern. Das Testament schrieb ihm ja vor, einen Tag lang Klaviere zu stimmen. Als Klavierstimmer gedachte er, mit Klothar oder Wina in Verbindung zu kommen. Aber unter allen, die sich auf sein Inserat gemeldet hatten, waren weder sein Mietherr, der Kaufmann Neupeter, noch Zablocki, noch der Graf. Das einzige Ergebnis des Stimmtages war, daß er nach den Bestimmungen des Testaments durch 32 zerrissene Saiten um 32 Beete auf dem Erbgrundstück ärmer geworden war.
Indessen ergab sich bald eine Gelegenheit, dem Grafen bekannt zu werden. Neupeter hatte Geburtstag und lud seinen Mietmann zu einem Diner ein, auf dem auch Klothar anwesend war. In dem Tischgespräch glaubt Walt an des Grafen innerste Seele gerührt zu haben, ohne zu bemerken, daß der Graf nur leichthin Konversation gemacht. Nach dem Essen geht man im Park spazieren. Auch hier sucht Walt sich dem Herrlichen vergeblich zu nähern. Hingegen findet er einen von dem Grafen verlorenen Brief von Winas Hand. Auf Vults Konzert sieht er die Göttin seiner Träume dann endlich selbst. Flitte zeigt sie ihm neben Raphaela Neupeter. Vom ersten Augenblick an weiß er, daß sie die Liebe seines Lebens ist. Durch den aufgefundenen Brief hofft er, sich ihr oder ihrem Bräutigam nähern zu können. Er sucht das Haus des Generals auf, wird aber nur von diesem selbst empfangen und gibt ihm den Brief ab. Der General ersieht aus dem Schreiben seiner Tochter an den Grafen, daß dieser einen Religionswechsel von seiner Braut verlangt, und löst darauf die Verbindung. Nichtsdestoweniger fährt Walt fort, den Grafen zu lieben, der durch ihn das Teuerste, wie er denkt, verloren. Vult heckt einen Plan aus, wie Walt ganz nahe an den Grafen herankommen könne. Er will dem Grafen als Flötenspieler von Adel seine Aufwartung machen und im Park vor ihm musizieren. Walt könne von ihm als Freund und Verwandter gleichen Namens, also als Adliger, mitgebracht werden. Auf Vults Stube
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