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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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ruft ihn eine weibliche Maske, die Hoffnung darstellend, von hinten an. Es ist Vult, der ihn in ein Nebenzimmer lockt. Erfreut will er den Bruder umarmen, dieser aber wehrt ab und beschwört ihn nur, die Maske mit ihm zu tauschen. Eine seltsam heiße Wüstendürre und Fieberhitze bricht hinter Vults Maske hervor. Walt kann natürlich nicht anders, als dem Wunsch des Bruders willfahren. Nur wegen des Englischen, den er mit Wina tanzen wollte, trägt er Bedenken. Aber Vult redet ihm zu, ihn, den Tanzgewandten, mit Wina in seiner Maske tanzen zu lassen. Alle Erklärungen seines Vorhabens werde er ihm morgen geben. Walt willigt, wenn auch widerstrebend, ein. Sie tauschen die Kleider. Vult tanzt den Englischen mit Wina, die überraschend auffährt, als sie die plötzlich hervorbrechende Tanzkunst ihres Partners, den sie für Walt hält, innewird. Im Augenblick hat der von seiner Liebesverzweiflung Getriebene das Ja ihrer Liebe von ihr heraus. Hingerissen legt sie sich in seinen Arm, in immer kühnerem Umschwingen sich drehend. An den Englischen schließt sich der Walzer. Selig wiegt sie sich in den Armen des vorgetäuschten Geliebten, und dunkel ahnt uns, daß es im Grunde doch nicht der lebenabgewandte, eigenbrötlerische Notar ist, dem ihre Liebe gehört, daß hier beim Tanz etwas Neues in ihr wach wird, weit über den Traum ihrer Liebesphantasie hinaus in ihr Blut zurückschlagend.
    Walt ist inzwischen von einer andern Maske ins Nebenzimmer gelockt worden. Hier reißt sie ihm und sich die Masken ab, und es ist die Schauspielerin Jakobine Pamsen, die vor ihm steht. Ehe er zur Besinnung kommt, hat sie ihre Lippen auf seinen Mund gedrückt. In dem Augenblick betritt der General Zablocki, der der alten Bekannten aus Rosenhof nachgeschlichen ist, den Raum. Walt entläuft in den Saal zurück, mit Mühe in der Eile die Maske vorbindend. Vult und Wina aber sind verschwunden.
    Vult ist nach Hause geeilt und hat hier einen Abschiedsbrief an Walt zu schreiben angefangen. Noch einmal stellt er ihre beiden Charaktere gegeneinander und zieht das Fazit ihres Zusammenseins: »Ich lasse dich, wie du warst, und gehe, wie ich kam.« »Wir beide waren uns einander ganz aufgetan, so wie zugetan ohnehin… aber vergebens schreibe ich außen ans Glas meinen Charakter mit leserlichen Charakteren: du kannst doch innen, weil sie umgekehrt erscheinen, nichts lesen und sehen als das Umgekehrte. Und so bekommt die ganze Welt fast immer sehr lesbare, aber umgekehrte Schrift zu lesen.« Eine verzweifelnde Bitterkeit faßt ihn während des Schreibens. Die beiden Seiten von Jean Pauls eigenem Charakter halten hier ihre große Abrechnung, und siehe: Jean Paul selbst ist hier bitter gegen sich selber geworden. Wohl hat er in Walt sein eigenes Dichtertum, dieses treuherzige, schwerfällige Dichtertum verkörpert. Aber recht, im tiefsten Sinne recht, gibt er doch jenem frei schweifenden Geist, der unter allen Anstrengungen und Bitternissen der Welt sich selbst treu bleibt, tausendfach gehetzt und gejagt, mit Schwielen des schweren Lebens überdeckt und voller Wunden, und unglücklich das Leben, das ungebrochene Dasein der unangreifbaren Wina-Naturen liebend und von ihnen verkannt und zurückgestoßen und nur unter fremder Maske ihnen das Ja ihrer Liebe entreißend, fast stehlend. Das Roquairol-Motiv in neuer Beleuchtung.
    Während er noch schreibt, hört er den Bruder vom Feste kommen. Er stellt sich schlafend. In Tanzseligkeit kommt Walt vom Fest zurück, Melodien vor sich hinsingend und ihnen Liebesworte unterlegend. Vult, um packen zu können, stellt sich schlafwandlerisch und packt unter sinnlosen Redensarten seine Sachen zusammen. Als er fertig ist, scheint er wie aus einem Traum zu erwachen. Mit Mühe kann ihm der Bruder beibringen, wo er ist, dann sinken sie beide in Schlaf. Auf einmal wacht Walt auf und weckt Vult, um ihm einen Traum zu erzählen, den er eben gehabt: Wie ein Chaos wollte die unsichtbare Welt auf einmal alles gebären, Bäume wuchsen aus Blumen, Wolkensäulen mit Gesichtern und Blumen brachen auf. Über weitem leeren Meer schwamm das Weltenei. Ein Strom mit der Leiche der Venus fährt durchs Meer. Es schneit helle Sterne, der Himmel wird leer, an Stelle der Mittagssonne leuchtet eine Morgenröte. Aus dem Meergrunde steigen wie aus Bergwerken unzählige Menschen auf und werden geboren. Eine dicke Grubennacht quillt ihnen nach. Auf einmal ist nichts als ein stilles glattes Meer. Aus dem Meer aber bricht die »böse Feindin« wie

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