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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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es, die Konsequenz aus unserm Zustand zu ziehen. Wir dürfen uns freilich nur dann mit den Griechen und den Italienern vergleichen, wenn jetzt die Bundesstaaten Deutschlands sich nach innen zu bilden und wenn sie nicht getrennte Gesellschaftsinseln oder höchstens verknüpfte Turniergenossen werden, sondern eine schöne Eidgenossenschaft in einem von Napoleon und einem langen Frieden beschützten Fürstenbund. »Seit den letzten Kriegen teilen wir wieder gern den gemeinschaftlichen Namen Franken und erinnern uns aus der Geschichte, daß die Mehrheit in Frankreich nicht Gallier, sondern versetzte Germanen sind.« Im Bunde mit dem Frankreich Napoleons sieht also Jean Paul hier die deutsche Zukunft. Er weist darauf hin, daß die Deutschen alle europäischen Reiche gegründet haben, und daß also europäische Kriege immer deutsche Bürgerkriege sind. Worin liegt also der Schwerpunkt des deutschen Wesens und wird immer dort liegen, auch wenn Deutschland und Frankreich in einem Staatenbunde miteinander vereinigt sind? In dem deutschen Wesen! In der Deutschlandsliebe! »Im Ganzen war nie die Deutschlandsliebe aus dem Mittelstande und aus dem Volke gewichen; dieses hielt sie lebendig im Herzen fest, jener sie auf dem Druckpapier; und nur die höchsten Klassen ließen sie öfters entfliehen.« Wenn wir also auch wieder zu Franken werden sollten, so würden wir doch Deutsche bleiben. Denn wir, ohne das französische Feuer für persönlichen Glanz, ohne das englische Trotzgefühl selbständiger Freiheit, wir »sind nicht imstande, unsern Blick so zu beschränken als unsere Macht; sondern wir vermögen nur, mit Verzicht auf Massenschimmer, für das alte in Poesie und Leben durch alle Länder und Jahrhunderte hindurch gehende deutsche Attribut der Rechtlichkeit und Redlichkeit zu leben, zu eifern und zu streben… . Unsere Freiheitsliebe ist nur Rechtlichkeitsliebe, nicht Glanz und Raubsucht. Und solange dieser Sinn in uns nicht zu ermorden ist, werden wir Knechtschaft hassen und Vaterland lieben. Rechtlichkeit verknüpfte die Deutschen – eigentlich die Menschen – und wehe dem, der das Band durchschneidet, woran die Welt hängt und er selber! – Und Heil dem Fürsten, dem die Geschichte den neuen Beinamen ›Der Rechtliche‹ gewähren kann, und ich glaube, sie kann es seit zehn, besonders seit zwei Jahren«.
    Im nächsten Abschnitt »Franzosen-Deutsche« werden diese Gedanken fortgesetzt. Jean Paul bekämpft die Furcht, als wenn wir Deutsche je aus den Tafeln der Geschichte ausgelöscht werden könnten. »Ich nenn’ dies Furcht, denn eine ausgelöschte Nation wäre durch keine andere, nicht einmal durch die auslöschende zu ersetzen, geschweige aber die deutsche; ich habe indes nichts weniger als diese Furcht.« Wozu überhaupt diese ganze Gegensetzung? Die Franzosen sind Herren des Landes wie die Engländer Herren des Meeres. Wir aber die der beide und alles umfassenden Luft. Deshalb sind wir, »um ein Verquickungsmittel der spröden Völker zu sein, in alle Länder und Klimen ausgesät worden, wie die Juden, Jesuiten, Eisen und das Tier, das unsere Treue teilt«. »Wenn in der ganzen Geschichte die gebildete Nation die ungebildete auflöst und polypenartig in sich verwandelt, gleichgültig ob siegend oder besiegt; – so ist hier zwischen zwei gebildeten Nationen keine historische Möglichkeit eines nationellen Vertilgungsfriedens. Unsre literarische Entgegensetzung und Eigentümlichkeit muß uns auch als politisch-nationelle bestehen lassen.«
    Wir werden uns bei Besprechung der »Dämmerungen für Deutschland«, Jean Pauls nächster politischer Schrift, nach der Berechtigung dieser Ausführungen fragen. Sie erhalten erst von dem gesamteuropäischen Programm Jean Pauls aus ihren Sinn. Was er mit diesen Ausführungen hier zunächst wollte, war: dem deutschen Volke ins Bewußtsein zu hämmern, daß es nicht untergehen könne, wenn es als Nation geistig lebendig bleibt. Wir müssen uns vor Augen halten, daß das deutsche Volk, als Jean Paul die »Friedenspredigt« schrieb, jeden Halt in sich verloren hatte. Zu einem Befreiungskrieg aufzurufen, wäre damals ein müßiges Unterfangen gewesen. Noch stand alles unter dem Eindruck von Napoleons Unbesiegbarkeit, und die seit Jahrhunderten durch ihre Fürsten geknechtete deutsche Nation war zu stark von dem französischen Freiheitsrausch angeweht, als daß man sie damals bereits gegen Frankreich hätte sammeln können. Das Pochen auf die kulturelle Sendung Deutschlands war das

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