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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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»Der besondere Saatwurf eines großen Individuums – entsprösse auch daraus ein seliges Jahrtausend – gilt vor dem Verhängnis soviel wie der Saatwurf eines völkervergiftenden Samens; zufällig wird der eine, zufällig der andere beregnet, nicht einmal der Giftsame ausschließlich.« In wirrem Durcheinander entstehen und vergehen die Völker. Und doch ist »das Bild vom Aufblühen und Abwelken der Völker« kein »volles«; »denn jedes Volk hängt heute zu gleicher Zeit bedeckt voll Blüten, Früchte, Knospen und Welk-Laub, und morgen wieder voll, nur von andern aber. Und »ein Irrtum war noch der, daß man Vergänglichkeit der Staaten oder Ablauf der Zeiten auf die Völker selber anwandte, welche ja immer verjüngt auf den Gräbern ihrer Staaten aufsprießen. Woher kommt der Zickzacklauf der Geschichte? Erst müssen alle Völker unserer Kugel in einer gemeinschaftlichen Ausbildung nebeneinander stehen, damit kein rohes sich zersetzend in das gebildete mische… Ist einmal die Erdkugel, was physisch so unmöglich ist als bildlich notwendig, auf beiden Hälften erleuchtet: dann muß jenes Kreislaufen von Steigen und Fallen nachlassen.« Ein ungeheurer Gedanke! Zuerst scheint nur der Optimismus des Rationalismus in dieser Anschauung wiederholt. Auch der Rationalismus meinte ja, durch die Vernunft die wilden Völker bezähmen und der Zivilisation einfügen zu können. Und wie zerbrach schon seine Hoffnung, kaum daß sie in einigen Geistern Wort geworden war. Aber vielleicht hat man mit dem Rationalismus ohne Not auch die große Idee der Menschheit über Bord geworfen. Ein ungeheurer Optimismus freilich liegt Jean Pauls Anschauung zugrunde, aber wird hier nicht auch ein ungeheures Ziel, ja das Ziel aller menschlichen Entwickelung ins Auge gefaßt? Wenn unser Leben auf der Erdkugel wirklich einen moralischen Zweck haben soll, bleibt dann ein anderes Ziel als das einer befriedeten Menschheit überhaupt übrig? Der Rationalismus hatte freilich eine falsche Methode angewandt, wenn er glaubte, ohne Kenntnis der menschlichen Psyche, rein durch bloße intellektuelle Überzeugung die Völker der Erde unter einem Zepter zu vereinigen. Aber müssen sich nicht ganz von allein durch die immer gesteigerte Berührung der Nationen die Niveauunterschiede auf der Erde allmählich ausgleichen? Es ist allerdings heute Mode, von einem zwecklosen Auf und Nieder der Geschichte zu sprechen. Und wirklich wird sich nur schwer nachweisen lassen, daß von den alten Ägyptern etwa zu unserer modernen Kultur eine stetig ansteigende Linie führe. Im Gegenteil spüren wir deutlich, wieviel uns die Geschichte im Lauf der Entwickelung von seelischer Kraft verzehrt hat. Und immer wieder sehen wir neue Völker aus dem Dunkel auftauchen, kurze Zeit vom Licht einer Kultur beschienen und in das Dunkel der Geschichtslosigkeit untertauchend. Unbewußt setzen wir diese Reihe zweckloser Erscheinungen bis in alle Ewigkeit rückwärts fort. Und doch, können wir nicht in den wenigen Zehnjahrtausenden, die wir, seit dem Eiszeitmenschen etwa, die Erdentwickelung belauschen, beobachten, wie der Lichtgürtel der Zivilisation immer breiter wird, wie immer mehr Völker vom Licht der Geschichte beschienen werden? Wir brauchen nur anzunehmen, daß wir wirklich heute die Entwickelung der Menschheit auf der Erdkugel wenigstens in großen Umrissen überschauen, um einen gewissen Optimismus berechtigt zu finden. Nicht als ob wir uns seit den alten Ägyptern nennenswert entwickelt hätten, aber doch jedenfalls seit den Troglodyten. Und mag unsere Kultur qualitativ hinter der der Ägypter zurückgeblieben sein, quantitativ umspannen wir heute doch unzweifelhaft mehr und reichere Gebiete. Im allgemeinen ist die Erde heute von uns und unserm Wesen umspannt. Hier und da sahen wir das Licht der Zivilisation auf der Erdkruste im Laufe der Jahrtausende aufblitzen und wieder verschwinden, aber doch niemals mehr ganz verschwinden. Ein mattes Leuchten blieb immer zurück. Es muß einmal die Zeit kommen, da alle Völker sich gegenseitig kennengelernt haben und ihre Güter in freiem Verkehr austauschen. Und ein Hoffnungsschimmer bleibt uns immer, wenn wir die Verheerungen der Zivilisation und die Verrohung menschlicher Gier noch so hoch anschlagen: »Wenn Krieg, Seeräuberei, Knechtschaft, Parteiwut tausend Herzen auf einmal und lange besetzen, indes die Tugenden wie Engel nur einzelne begleiten: so hätten die Heere des Teufels längst die zerstreuten Engel und das Glück der Erde

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