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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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die Veteranen der Legio Martia gegen zwei andere Veteranenlegionen anrücken, nach Zurücklassung von fünf Tironenlegionen, um reiner zu kämpfen – wenn diese zwei Heere alter Helden ohne Feldgeschrei und stumm wie Todesengel aneinander würgen, ein Würgengel am andern – wenn sie dann mit stummer Verabredung die müden Waffen einige Minuten niedersenken – und wenn beide Heere sich endlich schwer auseinanderziehen, jedes seine Hälfte als Leiche nachlassend«. Erhaben ist dieses Schauspiel sich bekämpfender Heere, erhaben ist der junge Held des Feldes, der siegreich die Fahne vorwärts trägt. Aber es ist eine Erhabenheit besonderer Art. Der Krieg ist »so gut erhaben als die Pest in Athen oder Marseille«, schreibt Jean Paul. Es ist das »tierisch Erhabene, das den ganzen Frühling mit einem ähnlich stillen Wechselmord der Tiere einnimmt«. Und hier erhebt er die große Frage: »Muß sich denn immer stehende Menschheit auf liegender erheben?« Freilich! Es ist nie anders gewesen. Aber doch, vielleicht wird es einmal anders sein. Und er zeigt, wie es einmal anders sein kann und muß. Und »hälfe keine Friedenspredigt zum ewigen Frieden: so würd’ ich sie gleichwohl halten; ist der Wille nicht zu bessern, so doch vielleicht das Urteil«. Ein Wort, das sich vor dem intellektuellen Bewußtsein jedes Menschen aufrichten sollte. Wenn schon der Wahnsinn des Krieges weiter über die Erde rollen soll, so sollen wir doch um diesen Wahnsinn wissen. Gewiß bedeutet »gegen den Krieg schreiben« »soviel als im Druck hart den Winter scharf rügen oder die Erbsünde«. Der Krieg ist die Form, in der die Völker sich bisher immer begegneten. Wir müssen es hinnehmen, bis die Erde von einer Menschheit umspannt ist. Und auch dann wird sich vielleicht dieser Wahnsinn in anderer Form erheben. Aber wissen sollen wir, daß der Krieg ein Wahnsinn ist.
    Es ist also doch Pazifismus, was Jean Paul predigt, aber ein resignierter, der das unabwendbare Unheil hinnimmt. Ja noch mehr. In dem Gespräch mit Varnhagen von Ense tritt es deutlich in Erscheinung, und es ist auch sonst bezeugt: daß Jean Paul seinen Sohn Max, unter dem Druck der eisernen Zeit zeitweilig zum Soldaten zu erziehen suchte. Das Ethos des Krieges lag ihm keineswegs ganz fern. Welche Töne findet er für den Soldaten, als Albano, der Held des »Titan«, ins Feld ziehen will! Er weiß, und dieses Wissen ist ihm mit Flammenzügen ins Herz geschrieben, daß der Krieg mit Frankreich kommen wird. Und nur das eine wird dagegen eingewandt: daß es Wahnsinn ist. Aber ein Wahnsinn, der in seinen Bann zwingt und dem die Menschheit wieder einmal unterliegen wird.
    Gegen den Krieg wendet sich die kleine Schrift, und sie wirkt, als wäre sie heute unter unsern gegenwärtigen Verhältnissen geschrieben. Alle Gründe, die man auch heute für den Menschenwürger ins Treffen führt, werden auch von Jean Paul angeführt und untersucht. Nie ist so schonungslos in das Wesen des modernen Krieges hineingeleuchtet worden als hier. »Das Unglück der Erde war bisher, daß zwei den Krieg beschlossen und Millionen ihn ausführten und ausstanden.« Das Volk allein hat die ganze Kriegsfracht als Quetschwunden zu tragen, es allein setzt in die Mordlotterie Leben und Güter ein. Die Staatserhebung durch neue Länder ist für das Volk nur eine Kreuzerhebung. Kann das Volk denn glauben, daß zwei Millionen besser regiert werden als eine Million? Aber man sagt, der Krieg entwickelt und enthüllt große Völker und große Menschen. Dann aber hätten wir lauter große Völker, denn alle führten seit Kindesbeinen an Krieg. Nichts ist falscher, als den Krieg einen Erzieher zu nennen. »Der lange peloponnesische Krieg machte keine Sparter, aber wohl Lykurg; große Völker entstehen nur an großen Menschen; und eine große Idee, eine Gesetzgebung entwickelt die Völker ganz höher als ein Schlachtenjahr; und Preußens Monarchie wurde nicht von, oder im, sondern hinter dem kurzen Kriege und trotz demselben von dem langen Frieden gebildet.« Man verwechselt die erzieherische Wirkung der Kriege mit der erzieherischen Wirkung der Idee, um derentwillen ein Krieg geführt wird. »Bekamen denn die friedliebenden Schweizer ihre Wunderkräfte der Tapferkeit gegen Österreich und Frankreich von langen Kriegen oder nicht vielmehr von der Vaterlandsliebe her? – Erschuf den weichlichen, ungeübten Kriegs-Neulingen unter der Revolution der erste Feldzug oder nicht vielmehr die Freiheitsflamme die siegende Macht?

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