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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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friedliche Mond wirft tückisch mit Gestein nach der Erde. »Hat man mühsam Donnerkeile eingeschmolzen und Kometenschwänze anglisiert, so führt der Feind neues Geschütz im Mond auf oder sonstwo im Blau.« Einbrüche, Feuersbrünste lauern, Erhitzungen oder Erkältungen bedrohen mit tödlichen Krankheiten. Plötzlicher Wahnsinn kann aus dem Fenster stürzen machen, aus dunklen Wiesen können beim Spaziergang im Mondschein Selbstschüsse aufknattern. »Bei Gott! überall Klingenproben des Muts!« Schmelzle besteht sie als ein Held, aber als ein vorsichtiger. Ein lückenloses System von Sicherungen umgibt ihn. Jede Viertelstunde pißt er, um der Bildung von Blasensteinen vorzubeugen, und wenn er die Postkutsche deswegen anhalten muß. Mit mitgenommenen Schrauben und Schlössern verriegelt er die Zimmertüre im Gasthaus und verbarrikadiert sie überdies mit Sesseln und Tischen. Sein linker großer Zeh ist nachts durch eine Schnur an den rechten Arm seiner Frau gebunden, damit der Mondschein ihn nicht etwa auf das Dach locke. Kein Glas, keine Flasche darf hingestellt werden, wo die Sonne hinscheinen könnte, damit nicht ein zufällig entstehender Brennpunkt eine Feuersbrunst mit ihren Gefahren herbeiführe. Eine Reihe der komischsten Situationen kann aus diesem Kampf Schmelzles mit der Tücke des Objekts gewonnen werden. Auch dieses Motiv des »Anti-Wuz«, wie Jean Paul es nennt, taucht hier also auf, ja es hat hier seit dem Rektor Freudel die höchste Steigerung erfahren. Aber mit dieser Tücke der Dinge ist der metaphysische Grund der Komik Jean Pauls noch nicht erfaßt. In der »Vorschule der Ästhetik« heißt es, daß nur die Narrheit zu ergreifen vermag, die unser aller Narrheit ist oder doch sein könnte. Und so ist es mit der Angst, die den Feldprediger schüttelt. Das Grausen, das jeden Menschen von Zeit zu Zeit packt und auf tausend Sohlen umschleicht, der panische Schrecken, der grundlos oder mit vorgespiegelten Gründen aus dem Weltraum bricht, das Entsetzen vor der Stille, Atavismen verdrängten Geisterglaubens, – das alles, dem jeder Mensch zu vielen Malen erlag, zwängt dem Feldprediger den Ring der Furcht um den Hals. Was wir teilweise und zuzeiten sind, das ist er ganz und immer. Und vielleicht können wir diese furchtbare Angst nur deshalb überwinden, weil wir die furchtbare Größe der Gefahren nicht kennen, die jeden Augenblick über uns hereinbrechen können. Attila Schmelzle aber kennt sie. Sein Spürsinn wittert sie von weitem, und es ist kein Zweifel, daß sie da sind.
    Jean Paul selbst hatte sich durch seine kleine Dichtung von Furchtvisionen zu befreien. Nicht daß er ängstlicher gewesen wäre als andere Menschen, aber seine größere Phantasiekraft mochte auch solche Augenblicke der Furcht auftreiben, und die Zeit war wohl dazu angetan, jeden sicheren Grund ins Wanken zu bringen. Zunächst wollte er dem Volk, das so hilflos den französischen Heeren unterlag, so wenig Widerstand aufzubieten vermochte, den Spiegel vorhalten, wie schon in der »Belagerung von Ziebingen« auf die rasche und unnötige Übergabe preußischer Festungen angespielt wird. Das Volk, das feige ist ohne den Antrieb einer belebenden Idee, sollte hier Gestalt werden. Die politischen Vorgänge über Europa konnten wohl das Entsetzen aus dem Grund aufrühren und jede feste Anschauung ins Wanken bringen. Seit der französischen Revolution war Europa nicht mehr zur Ruhe gekommen. Der Schrecken der Schlachtfelder war für die Zeitgenossen kein leerer Begriff mehr. Durch den halben Erdteil zogen sich die Kriegsschauplätze, und immer weiter fraß der Völkerbrand um sich. Quer durch Deutschland hatten sich gerade die kämpfenden Heere gewälzt. Die Unsicherheit aller staatlichen Formen und menschlichen Institutionen war erschreckend zutage getreten. Dazu kam bei dem freien Schriftsteller das Gefühl, daß er bei längerem Anhalten der Unsicherheit mit seiner ganzen Existenz in der Luft hing. Wir sahen, wie sich Jean Paul aus diesem Gefühl heraus um eine staatliche Sicherstellung bemühte. Noch im Jahr, bevor er den »Schmelzle« schrieb und den Feldprediger seine Bittreise nach Flätz tun ließ, war er selbst nach Wunsiedel gepilgert, um etwa von dem preußischen Königspaar eine staatliche Präbende zu erhalten. Vielleicht ist diese seine mißglückte Reise nicht ganz ohne Zusammenhang mit der abenteuerreichen Fahrt Schmelzles. In mancher Beziehung hat er sich in dem Feldprediger selbst gegeißelt. Zum Beispiel die

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