Saemtliche Werke von Jean Paul
an die Diebsfehraer verkauft. Über dem schwächsten Tor wird eine Koppel Hunde postiert, unter denen sich ein halbtoller befinden soll. Mit dem ersten feindlichen Kanonenschuß sammelt sich die gesamte Bevölkerung in der bombensicheren Kirche, einschließlich eines durchreisenden Elefanten, der mit Mühe durch die enge Kirchentür hindurchgezwängt wird. Sein Besitzer will klaglich vorgehen, da er nun das teure Tier ohne Geld der gesamten Bevölkerung zeigen muß. Dazwischen will der Buchdrucker Peter Stöcklein die gute Gelegenheit benutzen, um von dem mit ihm eingeschlossenen Jean Paul Manuskripte zu erhalten. Ein kühner Ausfall endet mit der Flucht beider Heere. Schließlich ergreift in der Kirche Jean Paul die Initiative und legt dem Kommandanten »Ich sterbe täglich und mein Leben« nahe, die Feinde zu begnadigen, indem er Friedensunterhandlungen anknüpft. Die Böttcher wollten nächstens ihren Reiftanz halten, in der Nachbarschaft würde nächstens ein wichtiger Viehmarkt abgehalten, in einem unter der Ziebinger Gerichtsbarkeit stehenden Dorfe prügelten sich bereits aus Mangel an Obrigkeit die Bauern, kurzum es bestünden die wichtigsten Gründe, Frieden zu schließen. Jean Paul und Peter Stöcklein wollen sich den Vorbeizug der beiden Heere, der die Feindseligkeiten beenden soll, von einer Tonne aus ansehen. Leider bricht der Deckel der Tonne entzwei und sie versinken in das leere Faß. Als sie endlich gerettet werden, ist alles vorüber.
Das Seitenstück zu dieser Groteske ist »Die Doppelheerschau in Großlausau und in Kauzen, samt Feldzügen«. Auch hier wird das Deutschland der Kleinstaaterei zu ergötzlichen und grotesken Schilderungen verarbeitet. Der dynastische, durch seine kleinen Verhältnisse lächerliche Pomp steht in schreiendem Widerspruch zu dem Ernst öffentlicher Angelegenheiten, die hier zur Farce erniedrigt sind. Diese beiden Grotesken bilden den Auftakt zu den Humoresken und Idyllen der letzten Periode.
In die »Belagerung von Ziebingen« hatte Jean Paul die eigene Person nach seiner alten Manier wieder miteingeflochten. Seit der »Unsichtbaren Loge« liebte er es, sich selbst in seinen Romanen und Erzählungen auftreten zu lassen. So sehr er sich selbst in dieser Weise mit wirklichen und angedichteten Eigentümlichkeiten preisgab, so wenig waren doch die Probleme, um die sich sein Denken bisher drehte, mit seiner eigenen Person verknüpft gewesen. Erst die »Flegeljahre« zeigen auch hierin eine neue Einstellung. Zum erstenmal hatte ihm hier das eigene Wesen mit seinen zwei miteinander unverbindbaren Teilen zum Vorbild gedient. In der letzten Periode seines Schaffens sollte sein Ich aber noch tiefer in seine Gestalten hineinbezogen werden. Objekt war ihm bisher das Leben in seiner Totalität gewesen, er selbst Subjekt, Träger und Schöpfer des Ganzen. Nun unternahm er es, dieses Verhältnis umzukehren, sich selbst im Verhältnis zur Welt zu sehen und darzustellen: sich, den Dichter, den Repräsentanten des Geistes auf dieser Erde. Auch das erschloß neues Stoffgebiet. Der Träger des geistigen Daseins in seinem Verhältnis zum Leben, zum biologischen Lebensprozeß des Werdens und Vergehens. Diese Einstellung (in unsern Tagen erst wieder von Thomas Mann als Ironie empfunden) war im tiefsten Sinne humoristisch, sie wetterleuchtete in die Abgründe und zeigte in befreiendem Lachen das Mißverhältnis zwischen Einsatz und Erfolg, zwischen Kraft und Bewegung auf. Auch hier war unendliche Idee gegen die Endlichkeit der Erscheinung gestellt. Der Schriftsteller als humoristische Gestalt, als Träger dieser »Don Quixotismus«, von dem wir sprachen, und diese Gestalt aus eigenen Schriftstellernöten, aus eigenen kaum zu belauschenden Lächerlichkeiten und Unzulänglichkeiten begriffen und in das Licht der Satire und seiner Sendung gerückt. Diese Einstellung trug die epische Gestaltung noch um einige Grenzsteine vorwärts, da das letzte bereits in den »Flegeljahren« gesagt zu sein schien.
Am 16. November 1806, also bald nach Vollendung der »Levana«, wurde das »Leben Fibels« begonnen und damit die letzte Periode eingeleitet. Zwischen und neben den politischen Schriften drängten sich diese neuen Arbeiten ans Licht. Schon früher, im vergnügten Schulmeisterlein Maria Wuz wie im Quintus Fixlein, war die schriftstellerische Tätigkeit launig travestiert worden. Mochte Jean Paul die eigene Wichtigkeit noch so stark betonen, ein leiser Zweifel war doch immer mitgeklungen, wo er – wie
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