Saemtliche Werke von Jean Paul
E. T. A. Hoffmann in Bamberg, über die wir durch einen Bericht des sehr zweifelhaften Weinhändlers und Verlegers Kunz unterrichtet sind. Danach soll Jean Paul dem ihn seit frühester Jugend verehrenden Hoffmann eine boshafte Karikatur übelgenommen haben, die dieser von Frau von Kalb gemacht. Nach seiner gewöhnlichen Manier mischt hier also Kunz aus allem, was er über das Leben und die persönlichen Beziehungen Jean Pauls in Erfahrung gebracht hatte, ein verlogenes Potpourri zurecht. Wir wissen, was zwischen den beiden Dichtern stand: Hoffmanns Entlobung mit Minna Dörffer, der Freundin der Meyerschen Schwestern. Überdies befand sich Hoffmann damals in den widrigsten Umständen. Als Musiklehrer verdiente er kümmerlich seinen Unterhalt. Als Schriftsteller war er fast noch gar nicht hervorgetreten. Es konnte leicht sein, daß sein skurriles Wesen dem alternden Jean Paul auf die Nerven fiel. Hoffmann hat Zeit seines Lebens mit innigster Verehrung an Jean Paul gedacht. Dieser rückte dann allerdings in der Vorrede zur zweiten Auflage der »Unsichtbaren Loge« 1821 deutlich von Hoffmann und der von diesem vertretenen Richtung ab. Wir werden noch sehen, welchen traurigen Anlaß Jean Paul dazu hatte, sich gegen den wieder emporkommenden Mystizismus zu wenden, mit dem Hoffmann allerdings nicht identisch war. Es war wiederum ein Mißverständnis, das sich zwischen die beiden Dichter stellte, die ihrem Wesen nach zueinander gehören. Als Hoffmann ein Jahr später Jean Paul in Baireuth zusammen mit Kunz besuchte, konnte er in sein Tagebuch schreiben: »Seine Frau kennt mich und denkt nicht an Odiosa.« Aber auch dieses Zusammensein führte jedenfalls nicht zu engeren Beziehungen.
Und doch sollte Jean Paul derjenige werden, der Hoffmann gewissermaßen in die Literatur einführte. Auf Veranlassung des gemeinsamen Freundes Kunz schrieb er eine Vorrede zu Hoffmanns literarischem Erstling, den »Fantasiestücken in Callots Manier«. Schon Hoffmann gefiel diese Vorrede nicht, die er sich »kürzer, genialer« gedacht hatte. Aber etwas macht diese Vorrede merkwürdig: Sie wurde in Baireuth im Jahre 1813, dem Geburtsjahr Richard Wagners, geschrieben, als Hoffmann in Leipzig gerade die Bekanntschaft von Richard Wagners Vater gemacht hatte, und in ihr findet sich der prophetische Satz hinter dem Hinweis auf Hoffmanns Musikernatur: »Desto besser und desto seltner! denn bisher warf immer der Sonnengott die Dichtgabe mit der Rechten und die Tongabe mit der Linken zwei so weit auseinanderstehenden Menschen zu, daß wir noch bis diesen Augenblick auf den Mann harren, der eine echte Oper zugleich dichtet und setzt.« Gerade in dieser Zeit war dieser erharrte Mann also geboren, und zwar am gleichen Tage, als Hoffmann in Leipzig einzog.
Zu den Talenten, die Jean Paul eingeführt und gefördert hatte, gehörte auch Ernst Wagner, dem er seinerzeit beim Herzog von Meiningen die Stelle des Kabinettsekretärs verschafft hatte. Mit Wagner verband ihn eine herzliche Freundschaft. Für Wagners Idee einer deutschen Kunstschule war er noch in der »Levana« mit Begeisterung eingetreten. Aber auch dieser Freund sollte ihn bald verlassen. Nach langer Krankheit starb er im Februar 1812, gerade 43 Jahre alt. Und wie unglücklich wendete es das Verhängnis, daß ihm von jenem andern Schriftsteller, der ihm soviel zu verdanken hatte, von Arnold Kanne, das größte Unglück seines Lebens kommen sollte: der Tod seines Sohnes! Gerade in jenen Jahren veröffentlichte Kanne die Schrift, die den Grund zu seiner Bedeutung legte und die zugleich zu dem Anwachsen des Mystizismus in Deutschland so viel beitrug: »Erste Urkunden der Geschichte oder allgemeine Mythologie.« Auch zu diesem bedeutsamen Werk schrieb Jean Paul eine Vorrede. Er kenne wenige Werke, heißt es darin, welche mit der Kunde ältester und neuester Sprachen wie der Mythen eine solche Überfülle von etymologischem Witz, so viel Sinn und Gabe für Philosophie und Poesie verbinden. Später hat Jean Paul zu Kanne, gerade weil er an seinem eigenen Sohn die verderblichen Wirkungen dieses Mystizismus sah, eine andere Haltung eingenommen. Aber doch machte dieses Werk in gewissem Sinn Epoche. Noch vor Friedrich Schlegel wurde hier zum erstenmal auf die Bedeutung des Sanskrit für die arischen Kulturen hingewiesen.
Durch Kanne war Jean Paul mit einer neuen aufsteigenden Generation verbunden, und wenn es sich hier auch nur um eine Überspitzung des romantischen Geistes handelte. Wichtiger war ihm
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