Saemtliche Werke von Jean Paul
Bittschrift richtete er an den Zaren Alexander. Auch an den König und die Königin von Bayern wandte er sich. Der Königin widmete er behufs dieses Zweckes sogar die zweite Auflage seiner »Levana«. Endlich erhielt er die Nachricht, daß Maximilian von Bayern, dem das Fürstentum Aschaffenburg zugeschlagen wurde, wo Jean Pauls Pension eingetragen war, die Zahlung übernommen habe. Aber Jean Paul war lange Zeit hindurch in Sorge gewesen. Dalberg hatte ihm um seines deutschen Patriotismus willen die Pension aus eigenem Antriebe ausgesetzt. Die Sieger, um deren Sache sich Jean Paul bemüht hatte, beeilten sich nicht allzusehr bei dieser Angelegenheit. An Dalberg dachte Jean Paul daher mit besonderer Dankbarkeit. Ihm hatte er bereits die unter dem Titel »Museum« zusammengestellten philosophischen Aufsätze, die er für die Frankfurter Gelehrtengesellschaft geschrieben hatte, gewidmet, aber es war ihm ein inneres Bedürfnis, diesem hochherzigen Gönner nunmehr auch persönlich seinen Dank auszusprechen, um so mehr, da Dalberg seit seinem Sturz in äußerster Zurückgezogenheit in Regensburg lebte. Auch Ludwig von Oerthel, der ihn einst als Freund seines nun inzwischen in Geistesnacht verfallenden Bruders Friedrich in Weimar aufgenommen hatte, zog ihn in die Donaustadt. Im August 1816 konnte Jean Paul endlich seinen Plan ausführen, und er wurde durch Dalbergs Freundschaft reich belohnt. Einzig die Stunden mit dem unvergeßlichen Herder hatten ihm solchen Genuß gewährt, wie es nun der Verkehr mit dem ehrwürdigen Dalberg tat. »Im Reden wie in Allem mehr Gelehrter als Fürst«, schrieb Jean Paul über den Primas. Jeden Abend um sechs Uhr holte ihn der Wagen nach dem erzbischöflichen Palais, wo über Religion, Philosophie und Naturwissenschaften gesprochen wurde. Bei einer Weinflasche saßen die beiden oft bis zum Dunkelwerden beisammen. Mit besonderer Liebe sprach Dalberg von den Familienfreuden des Dichters, um die der Einsame ihn beneidete, und er ließ des öfteren durchblicken, daß er Frau und Kinder Jean Pauls in seinem Testament bedenken werde. Leider kam es nicht dazu. Schon ein Jahr darauf starb Dalberg ganz plötzlich. Ein Testament wurde nicht vorgefunden.
In Regensburg hatte auch der Vater des Dichters einige Jahre in seiner Jugend verbracht, als er als Alumnus das dortige Gymnasium poeticum besuchte. In der Kapelle des Fürsten von Thurn und Taxis hatte er die Göttin seiner Jugend, die Musik, angebetet. Jetzt dachte der Sohn oft an »die kleinen Wege und engen Pässe seiner Jugendtage«. Natürlich besuchte er auch seine alte Gönnerin, die Fürstin von Thurn und Taxis, die eine jener »vier schönen und guten Schwestern auf dem Thron«, denen der »Titan« gewidmet war. Voll von den schönsten Eindrücken, kehrte er nach etwa drei Wochen nach Baireuth zurück. Die Reise des nächsten Jahres nach Heidelberg sollte ihm dann das letzte tiefe Erlebnis seines Lebens mit einer Frau bringen.
Gewissermaßen ein Vorspiel zu dieser letzten Liebesepisode bildet das Erlebnis mit Maria Lux, der Tochter jenes Mainzer Republikaners, der einst als Freiheitskämpfer nach Paris gegangen war und dort kurz nach Charlotte Corday den Tod gefunden hatte. Man entsinnt sich, daß Jean Paul dieses Helden in seiner Schrift »Über Charlotte Corday« rühmend gedacht hatte. Es war nur natürlich, daß das Andenken an Jean Paul in der Familie Lux heiliggehalten wurde. Die kleine Marie hatte bereits in ihrem zehnten Jahr alle Bücher des Dichters gelesen und sich aus ihnen ein Idealbild gemacht, vor dem sie in ihren jugendlichen Träumen auf Knien lag. Sie schrieb mehrmals an ihn. Jean Paul antwortete väterlich begütigend. Sie wollte als Magd zu ihm kommen, um an seiner Seite zu sterben. In einer andern Welt werde er sie gewiß lieben. Jean Paul ließ einige ihrer Briefe, da sie ihn in Ratlosigkeit setzten, unbeantwortet. Kurze Zeit darauf machte Marie den ersten Selbstmordversuch, der durch das Dazwischentreten der Schwester gerade noch verhindert wurde. Aber in dem Augenblick, da sie bereits mit ihren Gedanken im Jenseits geweilt hatte, war ihr klar geworden, daß sie ihn nicht nur als verehrende Tochter liebe. Sie wünschte zu sterben. Jean Paul beging die Unvorsichtigkeit, ihr auf ihre dringenden Bitten eine Locke zu schicken. Nun steigerte sich ihre Leidenschaft bis zur überirdischen Verklärung. Wachend träumt sie von ihm, küßt in der Einbildung seine geliebten Hände, und schließlich stürzt sie sich in den Rhein.
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