Saemtliche Werke von Jean Paul
zu wenig geschrieben habe und, um dem abzuhelfen, druckt er seinen Autornamen in sämtliche Bücher, die sich nach dem kleinen Dorf verirren. Aber es bleiben dem berühmten Autor auch bissige Angriffe nicht erspart. Der Schulmeister des Orts, schon lange auf Fibel neidisch, widmet seinem einstigen Schüler in der oberdeutschen Literaturzeitung eine gehässige Kritik. In diesem Teil der Dichtung hat Jean Paul die Satire vielleicht länger als nötig ausgesponnen. Es sind die Angriffe gegen seine Person, die er hier travestiert. In einer Anmerkung zitiert er wörtlich einen Angriff des streitlustigen Ernst Moritz Arndt gegen ihn, und die gleich darauf folgende Kritik des Schulmeisters gegen Fibel ist eine Verhöhnung der Arndtschen Kritik. Durch den spottlustigen Pelz läßt sich Fibel immer weiter in die Eigenheiten eines großen Mannes hineintreiben. Nur mit der Zerstreutheit, die Pelz von ihm verlangt, will es nicht recht fort.
An diesem Punkte hören die umfassenden Nachrichten über Fibel auf. Nur an einem stillen Kämmerlein des Dorfes findet Jean Paul noch einige abgerissene Fetzen, die zeigen, wie die ganze kleine Kolonie allmählich auseinanderläuft. Mutter Engeltrut ist bald nach einem Geburtstag des Sohnes verstorben, ebenso Pompier. Der Drucker Fuhrmann hat das Weite gesucht, begleitet von einigen kräftig ausgefallenen Segenswünschen der energischen Drotta. Allein Magister Pelz schreibt noch und druckt das Ende von Fibels Biographie, das aber nicht mehr aufzufinden ist. Hiermit versickern die Nachrichten. Da wird dem Forscher Jean Paul gesagt, daß ein alter Mann im Dorfe Bienroda ihm vielleicht noch einige Nachrichten geben könne. Er fährt dorthin und trifft in einem verfallenden Gehöft einen uralten, mehr als hundertjährigen Greis an. Der Alte sitzt in einem Obstwäldchen voller Gesang, umgeben von den verschiedensten Tieren. Die sechs markgräflichen Rosse, mit denen Jean Paul vorfährt, machen auf ihn nicht den geringsten Eindruck. Er antwortet auf keine Frage, und redet schließlich ein wunderbares Kauderwelsch, untermischt mit falsch verstandenen lateinischen Phrasen. Schließlich aber gibt er zu erkennen, daß er selber jener Fibel ist, der sich einstmals wegen eines mittelmäßigen Abcbuches für einen » Literator – exzellentes Genie – Man of genius – homme de lettres – autor clarissimus « gehalten. Hundertfünfundzwanzig Jahre ist er inzwischen alt geworden. Seinen schönen guten lateinischen Namen Fibel hat er abgelegt, um dem Hochmutsteufel, der ihn gepackt hatte, zu entfliehen, und nennt sich jetzt nur noch mit dem Namen des Dorfes, in dem er lebt. Auf die verwunderten Fragen Jean Pauls antwortet er mit Milde und Bescheidenheit, und eine seltsame Weihe liegt über seinen Worten und seinem Tun und Wesen. »Es ist mir jetzo vieles auf der Erde gleichgültig, ausgenommen der Himmel darüber«, sagt er einmal und spricht damit wohl Jean Pauls eigenes Glaubensbekenntnis aus. In einer verträumten Idylle schließt sich die Dichtung. Wir sehen den Alten, von jeder Autoreneitelkeit befreit, in sein Gartenhäuschen gehen. Auf seinen Pfiff kommt ein schwarzes Eichhörnchen von seinem Baum und setzt sich ihm auf die Schulter. Nachtigallen, Drosseln, Staare fliegen in die Fenster zurück. Ein alter Gimpel trabt im Stübchen umher. Ein Hase trommelt auf Hinterfüßen den Abend mit seinen Vorderfüßen aus. Ein Pudel kommt mit einem Korbe um den Hals, um aus dem Wirtshaus das Abendessen für seinen Herrn zu holen. Das Gemälde dieses milden Greises wird zu einem verklärten Bild Jean Pauls selber, den auch die Besucher im Frieden seines Getiers fanden und bewunderten.
In seiner abgerissenen Weise, nach Greisenart die Hälfte verschüttend, berichtet Fibel von seinem hundertsten Geburtstag, wie ihm in der Nacht wie einem einjährigen Kind neue Zähne wuchsen und er in Krämpfen der Entwicklung zu vergehen drohte. Drotta erschien ihm im Traum. Neugeboren erwachte er mit der Sonne in Händen. Noch mehrere Male sucht Jean Paul den seltsamen Alten an den nächsten Tagen auf. Immer trifft er ihn im frohen Einklang mit der Natur und seinen Tieren. Einen hübschen Seidenspitz namens Alert macht der Alte seinem Besucher und Biographen zum Geschenk. Um Gott zu preisen, hat sich der Greis eine kleine Drehorgel angeschafft. Mitten in seinem Garten steht er und dreht sie und singt dazu ein Lied:
Noch läßt der Herr mich leben.
Mit fröhlichem Gemüt
Eil’ ich, ihn zu erheben;
Er hört mein frühes
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