Saemtliche Werke von Jean Paul
die Verbindung mit jenen Kräften, die das verschüttete deutsche Volkstum wieder an die Oberfläche bringen wollten. Gerade hier war Jean Paul einer der ersten Anreger und Wegbereiter gewesen. Es war zunächst eine humoristische Schrulle, wenn er im »Dr. Katzenberger« Namen wie Theudobald und Theoda verwandte. Aber er trat auch allen Ernstes für die Verwendung alter deutscher Namen in einem besonderen Aufsatz ein, und er war ja der erste gewesen, der unmittelbar nach der Schlacht bei Jena, als das gesamte Deutschland sich allgemeiner Trostlosigkeit hingab, auf die Unverletzlichkeit deutscher Kultur hingewiesen hatte. Um so mehr mußte er sich freuen, wenn sich jetzt Görres, der Herausgeber der »Deutschen Volksbücher«, aus Heidelberg an ihn wandte. Wenn ihm aus Berlin der damals 27jährige Freiherr von der Hagen seine Übersetzung des Nibelungenliedes schickte. Was bereits Herder vorgeschwebt hatte, wurde jetzt Wirklichkeit. Ausdrücklich schrieb Hagen, daß ihm die Nibelungen mehr bedeuteten als Homer, und mit voller Seele konnte Jean Paul ihm antworten, daß auch er die Nibelungen, »diesen verklärten und verklärenden Germanismus, diesen wahren Antikentempel Deutschlands«, den homerischen Gesängen vorziehe. Und mit besonderer Freude mußte es ihn erfüllen, daß Hagen ihm von seinen Plänen schrieb, in Gemeinschaft mit Büsching eine Sammlung noch ungedruckter altdeutscher Gedichte herauszugeben. Mit heller Freude schrieb Jean Paul auch die Vorrede zu Dobenecks Schrift »Des deutschen Mittelalters Volksglauben und Heroensagen«. Wo er Besinnung auf altdeutsches Wesen antraf, begrüßte er es mit Begeisterung, auch wo es sich nur, wie bei Fouqué, um eine äußerliche und pseudoromantische Wiederbelebung der altdeutschen Welt handelte. In diesem Zurückgehen auf das deutsche Mittelalter stand er mit den Romantikern in einer Front. Aber in erster Linie war es Herders Geist, dem er hier nachstrebte, der ja als erster auf die Bedeutung der deutschen Vergangenheit für die gegenwärtige Kultur hingewiesen hatte und schon die griechische Mythologie durch die nordische hatte ergänzen wollen. Jean Paul war sich des wahren Urhebers dieser romantischen Bestrebungen vollkommen bewußt. Nicht so sehr die Romantiker selbst; oder sie, die von Goethe aus ihren Ursprung nahmen, hielten es für geraten, ihren Ahnherrn zu verschweigen. Hier tritt deutlich das tragische Schicksal Herders hervor. Goethe wurde die Sammlung von »Des Knaben Wunderhorn« gewidmet, während es Herders Geist war, der sich in dieser Sammlung Arnims und Brentanos am schönsten auswirkte. Aber wieder liegt auch eine Gerechtigkeit des Schicksals darin, daß die Anregungen Herders ins Ungemessene weiterwirkten, während Goethe nur als Persönlichkeit und Namen fortlebte.
Von Jean Pauls Beziehungen zu der gegenwärtigen und der kommenden Generation können nur diese wenigen aufgeführt werden. Von allen Seiten wandte man sich an ihn. Was auch Neues an Ideen und Strömungen auftauchte, er wurde als Schirmherr angerufen. Als einer der ersten hatte er die Saat ausgestreut. Jetzt kam die Ernte ein und in einer Fülle, daß er sie kaum zu bergen wußte. Unmöglich für ihn, alle diese auf ihn einstürmenden Eindrücke noch im Werk zu formen. In Vorreden und Buchbesprechungen suchte er zu bergen, was er konnte. Ihm selbst aber brachte diese Fülle keine neuen Antriebe mehr.
Es war eine Ironie des Schicksals, und auch wiederum bezeichnend für das Auseinanderfallen des lebendigen und des offiziellen Deutschland, daß der Sturz Napoleons Jean Paul in persönliche pekuniäre Bedrängnis brachte. Man entsinnt sich, daß es Dalberg, der Großherzog von Frankfurt von Gnaden Napoleons, war, der dem Dichter eine Pension von 1000 Gulden ausgesetzt hatte. Mit Napoleon stürzte auch Dalberg. Er verzichtete auf alle Würden und Besitztümer und zog sich auf den Erzbischofsitz von Regensburg zurück. Damit hatte Jean Paul seine Pension, die er nötig brauchte, eingebüßt. Man muß bedenken, daß die Arbeitskraft des Dichters sehr nachgelassen hatte. Großen Konzeptionen fühlte er sich nicht mehr gewachsen, ja er mochte vielleicht eine Zeit voraussehen, in der er überhaupt nicht mehr würde arbeiten können. Fast zwei Jahre lang blieb seine Pensionsangelegenheit unerledigt. Er wandte sich an die verschiedensten Personen, die auf dem Wiener Kongreß Einfluß hatten. Metternich, Stein, Stägemann, Montgelas wurden von ihm angegangen. Eine besonders eindrucksvolle
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