Saemtliche Werke von Jean Paul
wie eine magische, weit zurückgewichne Gestalt vorkam, die einmal in einem Traume nahe an ihm geschimmert, als ein erblassender Mond am Tage, den er in einer lichten Nacht angebetet hatte: so hat man sich sein gutes schuldloses Herz geöffnet, um darin außer einem großen fortarbeitenden Schmerzen tausend mitleidige Wünsche für die bedauerte Fürstin zu erblicken. Ungeachtet ihrer sonderbaren Mischung von Stolz, Lebhaftigkeit und Feinheit glaubte er doch in ihr eine Änderung zu entdecken, die er halb aus seiner heutigen Beflissenheit, halb aus seinem ihr bisher so günstigen Einfluß auf den Fürsten erklären konnte, und die ihm einen größern Mut gegeben hätte, wenn er sich nicht von dem Zettel über dem Imperator der Kompaß-Uhr mit besondern Auslegungen seines Mutes hätte drohen lassen. Bei dem vorigen ersten Besuche war sein Mut gelähmt, weil er sich als der Sohn eines Vaters, der seinen Einfluß durch die Sorge um natürliche Kinder zu befestigen schien, geflohen glaubte; denn ein Mensch voll Liebe ist neben einem voll Haß stumm und dumm.
Am mutigsten machte ihn heute außer seinen Zänkereien, die unterlagen (als über die Blutigel etc.), noch die letzte, die siegte; man wird mutiger und glücklicher, wenn man einer Stolzen widerspricht, als wenn man ihr schmeichelt. Er sah eine Maske liegen; da er nun wußte, daß in Italien die Damen im Bette diese, wie die unsrigen die Handschuhe, als Gesichtschuhe anlegen: so verbot er ihr die Maske geradezu als Zunder der Augenentzündung. Es war keine Schmeichelei, da er ihr sagte, daß ihr die Maske mehr nehmen als geben könnte. Kurz, er bestand darauf. –
Er war vielleicht zu duldend gegen den Zweifel, den nur eine Frau erträglich und dauerhaft machen konnte, gegen den Zweifel, wen sie miteinander verwechsele, den Hofmedikus oder den Günstling; denn er sagte ihr – obwohl in der Sorge, zuviel zu sagen, welches bei Leuten von seinem Feuer ein Zeichen ist, daß es schon geschehen ist – am Ende das, was er am Anfange zurückbehalten hatte, daß ihn das Teilnehmen (empressement) des Fürsten hergeschickt; und hob diesen auf eigne Kosten empor, um so mehr, da er nichts Außerordentliches weiter von ihm anzubringen hatte als eben, daß er ihn – hergeschickt.
Dann ging er. Bei dem Fürsten ließ er ihr so viel Selig- und so viel Heiligsprechungen (auf dieser Erde zwei Kontrarietäten!) zukommen, als der Anstand und sein Humor (zwei noch größere Kontrarietäten) verstatteten. Sonderbar! sie hatte trotz ihrem Feuer keine Launen. Er wußte, Jenner erlag nicht bloß dem Verleumder, sondern auch dem Lobredner. Man legt den gekrönten Schauspieldirektoren der Erde Entschlüsse ins Herz und Beschlüsse in den Mund; sie wissen, was sie wollen und was sie reden, ein paar Tage später als ihr Throneinbläser. Ein Günstling ist ein Shakespeare und Dichter, der hinter den Personen, die er handeln und reden lässet, nicht selber vorguckt und vorhustet, sondern der ein Bauchredner ist, welcher seiner Stimme den Klang einer fremden gibt.
Da er den andern Tag die Patientin wieder besuchte, waren die Augenhöhlen abgekühlt, obwohl die Augen nicht; Agnola saß heil in einem Kabinett voll Heiligenbilder. Mit der Unpäßlichkeit der Augen war eine Quelle des Gesprächs weggenommen; und ihr Stolz vertrat zugleich seiner Empfindung und Laune den Zugang. Ob er es wohl hundertmal zu ihr in seinem Innern sagte: »Quäle dich nicht, stolze Seele, ich bin kein Günstling, ich will dir nichts nehmen, am wenigsten deinen Stolz oder fremde Liebe – o ich weiß, was es ist, keine zu erlangen«: so blieb er doch (nach seiner Meinung) kalt vor ihr und zog mit der ärgerlichen Aussicht ab, daß ihm seine gute Kur die Wiederkehr abschneide; denn die andern Hofbesuche waren doch keine freimütige Krankenbesuche. Vor der fatalen Kompaß-Uhr erschrak er täglich weniger, außer wenn er eben froher war.
– Manche Leute würden eher ohne Häuser als ohne Bauern leben; Viktor lieber ohne Lebens-Luft als ohne Luftschlösser; er mußte immer das Lotterielos und die Aktie irgendeines Plans in der Zukunft stehen haben, und eine Frau war meistens die Maskopeischwester in diesem Großavanturhandel. Diesmal war er auf die Versöhnung Jenners und Agnolas erpicht. Er schloß so: sie ist auf beiden Seiten leicht – Jenner wird jetzt immer Agnolas Gesellschaft suchen, obwohl bloß aus List, um in die künftige ihrer Hofdame Klotilde mit mehr Anstand zu kommen, die er im Stande ihrer Ehelosigkeit
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