Saemtliche Werke von Jean Paul
der Vorstadt, eine Stange Geld zu bringen. Es ist schon spät, das Haus Schleifenheimers geschlossen, aber neben dem Fenster lehnt eine Bauleiter, die er kühn besteigt, um die Rolle durch die offene Fensterscheibe hineinzuwerfen. Das Unglück will, daß der Nachtwächter kommt und ihn für einen Einbrecher hält. Der Unteraufschläger selbst glaubt, daß der Apotheker ihm einen Schabernack spielen wolle. In der Freudennacht entwickelt sich die Schlacht von Rom, in der die halbe Stadtbevölkerung herbeiströmt und es unmäßige Prügel gibt. Wieder, wie so oft in seiner Jugend, fühlt der verhinderte Wohltäter sich von seiner Vaterstadt gekränkt, ein Grund mehr, ihr nunmehr den Rücken zu kehren und auf Reisen zu gehen.
Der Diamant hat alle alten Fürstenträume wieder in den Vordergrund geschoben. Jetzt soll es mit diesen Träumen ernst werden. Zu ihrer Verwirklichung schließt sich Nikolaus einige Tage ein und läßt niemand vor sich. Noch ein zweiter Diamant wird hergestellt, für den die gesamte Judenschaft alles verfügbare Geld hergeben und außerdem noch hohe Wechsel ausstellen muß. Und endlich tritt Nikolaus in Erscheinung in Gestalt von huldvollen Handschreiben an Worble, den Zuchthausprediger Süptitz und den Hofstallmaler Renovanz. Er eröffnet sich den Freunden als Fürstensohn und tut ihnen kund, daß er jetzt, da die Mittel zu fürstlicher Hofhaltung vorhanden sind, die Würden seines Standes in Anspruch zu nehmen gedenke. Er lasse sich fortan, wenn auch nicht in der Öffentlichkeit, so doch im intimen Kreise Hoheit nennen. Gleichzeitig ernenne er Worble zum Reisemarschall, Süptitz zum Hofprediger, Renovanz zum Hofmaler mit stattlichen Gehältern und fordere sie auf, ihn zu begleiten, da er zu seinem fürstlichen Vater reisen wolle. Gehalt und Reiseaussichten sind so verlockend, daß die Freunde, von denen bisher allein Worble etwas von der sagenhaften Abstammung wußte, sich dem Apotheker anschließen, Besorgnis um seinen Zustand in den Vordergrund schiebend. Sie nennen ihn, um sich nichts zu vergeben, »Herr Marggraf«, da er fürstliche Anrede wünscht. Nur Worble schmettert das »Hoheit« fröhlich heraus.
In Eile wird der fürstliche Zug zusammengestellt, und so geht es nach wenigen Tagen zum Stadttor hinaus. Voran reitet Worble als Reisemarschall. In seinem Leib- und Staatswagen folgt der Fürst selber. Er sitzt getreu dem Wachsbilde seiner angebeteten Amanda gegenüber, die er endlich aus dem Uhrgehäuse befreit hat. Zu beiden Seiten des Wagens reitet das Regiment Marggraf, aus zwölf Invaliden bestehend. Dicht dahinter folgt der Wagen des Stößers Stoß mit dem chemischen Ofen und der voltaischen Säule. Dann folgt der Hofmaler Renovanz, gegenüber seinem Bruder, dem halbwahnsinnigen Träumer Raphael, sitzend. In einer Hofkalesche der Hofprediger Süptitz, dahinter in einem besonderen Wagen als Hofbankier der Jude Hoseas, der sich gleichfalls dem Zug angeschlossen hat, um die zu erwartenden Diamanten in Geld zu verwandeln. Es folgt ein leerer Hofwagen für künftiges Frauenzimmer, ein Küchen- und Kellerwagen und eine Fuhre mit den Weibern des Regiments Marggraf. Süptitz hat seine Frau zu Hause gelassen, um aus Sehnsucht nach ihr abzumagern. Worble die seinige, um sich durch Versuchungen über den Grad seiner ehelichen Treue zu vergewissern. Renovanz hat seinen Bruder Raphael mitnehmen müssen, da er seinem Vater versprochen hat, niemals ohne den armen Kranken zu reisen. Der wahnsinnige Raphael aber, ein herrlich schöner Jüngling, hat folgende Krankheit: er bildet sich ein, der größte Maler zu sein. In seinen Träumen sieht er die herrlichsten Gemälde, die er alle selbst gemalt zu haben glaubt, während ihm die schönsten wirklichen Malereien nur wie schlechte Kopien der eigenen Bilder vorkommen.
Als der seltsame Zug noch nicht weit von der Stadt entfernt ist, jagen die gesamten Bettler von Rom in einem eigens gemieteten Ochsenwagen dem fürstlichen Wohltäter nach, der sie alle reich beschenkt entläßt. Fürstliche Gnade läßt er auch über dem Zollwächter walten, bei dessen Häuschen das erste Frühstück eingenommen wird. Bei dem Grenzwirtshause erhält die Reisegesellschaft unerwarteten Zuzug: der Kandidat Richter taucht auf. Er hat gerade seine »Teufelspapiere« veröffentlicht und läuft als dürrer Jüngling mit offener Brust und fliegendem Haar und mit einer Schreibtafel in der Hand singend im Trabe durch die Gegend. Mit Worble gerät er in ein Gespräch über das
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