Saemtliche Werke von Jean Paul
Sack alter Rezepte vom Boden an die Juden verkauft, die diese wichtigen Dokumente ärztlicher Kunst weiter an die Quacksalber auf dem Lande verhökern. So fehlt es also nicht an Mitteln für das Getränk. Sodann aber ist er der Verwirklichung seiner alten Pläne ganz nahegekommen. In einigen Tagen wird es ihm, hofft er, gelungen sein, aus Kohle Diamanten zu machen. Ansonsten ist er über und über verschuldet. Der Jude Hoseas hat ihm noch einmal einen Wechsel bis zum nächsten Markttag prolongiert. Wenn Marggraf dann den Diamanten im Ofen hat, hat er Geld in Hülle und Fülle.
Die Kohlen im Ofen lassen sich zunächst ganz gut an, besonders das kleinste Stück. Sonst aber ist das Leben wie verhext. An allen Enden fehlt es an Geld, die Schwestern jammern. Zum Unglück hat der Apotheker die Vermessenheit gehabt, zu dem Tage, da er den Diamant fertig glaubt, eine Reihe seiner hungrigen Verwandten zum Festschmaus einzuladen. Die Schwestern sind verzweifelt. Und in diesem Augenblick betritt noch der visitierende Arzt die Apotheke und findet Unordnung über Unordnung. Nur der eintretende Worble rettet die Situation, indem er das Doktordiplom des Apothekers vorzeigt, das allein diesen rettet. Mit diesem Diplom hat es allerdings eine besondere Bewandtnis. Mit einer alten Arbeit hat Worble den Doktorhut erworben. Um aber freier vor den Professoren zu sprechen, hatten die Freunde vor der Stadt ihre Pässe getauscht, so daß nach dem Paß nicht Worble, sondern Nikolaus den Titel erwarb. Mit diesem Diplom wird der Arzt aus der Apotheke vertrieben. Damit ist aber noch nichts gerettet. Das Hauptkohlestück ist kein Diamant geworden. Der Jude Hoseas, der höflich einen Tag vor dem Verfall des Wechsels kommt, um nachzufragen, wird zwar hinausgewiesen, aber man weiß nicht, wie es werden wird, wenn er morgen rechtmäßig erscheint. Man sieht die ausgehungerten Verwandten sich schon dem Hause nähern, in dem es an allem fehlt. Selbst die erfinderische Schwester Libette kann nicht helfen. Worble schlägt vor, als Grund des Festessens das Doktordiplom anzugeben, da es mit den Diamanten nichts geworden ist. Der Grund wäre nun da, aber der Braten fehlt nach wie vor. Schon zieht sich Nikolaus in Erwartung einer furchtbaren Katastrophe zu dem Essen an. Er weiß nicht, wie das alles werden soll. Der Fehlschlag mit dem Diamanten hat ihn fast niedergeworfen. Wiederum zeichnet Jean Paul hier eine Situation, wie er sie im verarmten Hause der Mutter wohl oft erlebt hat, wenn wieder einer seiner Pläne zu Wasser geworden war, und die verunglückten Kohlen im Ofen stehen hier an Stelle seiner ersten Manuskripte, die immer wieder nicht den ersehnten Reichtum ins Haus brachten. Hier ist die Don Quixote-Figur des Apothekers schon vollkommen ausgewachsen, ist die Brücke zu den Tatsächlichkeiten des Daseins schon eingesunken. Der Stößer Stoß, des Apothekers rechte Hand, stellt sich als echte Sancho-Pansa-Figur neben seinen Herrn. Er glaubt mit Unbedingtheit an dessen Größe und ist das durch Dummheit und Gläubigkeit rührende Widerspiel des Besessenen. Hilflos und gleich seinem Herrn niedergeschmettert stochert er im Ofen herum, aber auf einmal entdeckt er, daß das kleinste Kohlenstück wirklich den Glanz eines echten Diamanten annimmt. Und in der Tat, als sie näher zusehen, fördern sie einen echten, pfundschweren Diamanten ans Licht. Kein Zweifel mehr, alle Proben erweisen untrüglich, daß man einen echten Stein vor sich hat. Im Sturmlauf wird Hoseas geholt, der über viertausend Taler zahlt. Libette holt fertige Braten über die Straße und kauft Wein ein. Ein Trinken und Schmausen sondergleichen hebt an, und dunkel versetzt es den Gastgeber in Angst, wie seine Gäste ihn ohne den Diamanten ratzekahl gefressen hätten.
Eine ungeheure Summe ist ins Haus geströmt, die Freude des Apothekers grenzenlos. So mag Jean Paul sich gefreut haben, als auf das Manuskript der »Unsichtbaren Loge« die Briefe von Karl Philipp Moritz einliefen und Matzdorff das erste Honorar schickte. Es war ja nicht nur die Freude über diese eine Summe allein, sondern die Möglichkeit, jetzt unaufhörlich Geld zu verdienen, die sich in dem Tun des Apothekers widerspiegelt. Bei Tisch hält er eine große Rede, in der er sich nach Gebühr herausstreicht. Aber so sehr die Gäste, insbesondere der Vetter Goldarbeiter, auch aufpassen, so verrät er doch das Geheimnis nicht. Nach Tisch stürzt er hinaus, um einem alten Widersacher, dem Unteraufschläger Schleifenheimer in
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