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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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alten Stätten, die er noch zu Lebzeiten des Sohnes besucht hatte, war ihm zu besuchen möglich. Weder München noch Heidelberg hätte er ertragen können, nicht einmal den fröhlichen Kreis in Löbichau. Aber reisen wollte er. »Ach, ich brauche jetzt so viel,« schrieb er im März an seine Schwägerin Minna Spazier, die in Dresden lebte, »nicht um zu vergessen – was nicht möglich ist –, sondern um die Erinnerung auszuhalten.« Es war nur natürlich, daß er sich in seiner Verlassenheit näher an seine Familie anschloß und als Reiseziel Dresden bestimmte. Am 5. Mai traf er dort ein. Minna hatte ihm eine Wohnung beim Registrator Aderholt vor dem Wasserturm in den neuen Anlagen der Neustadt besorgt. »Selig lieg’ ich am Morgen auf meinem Sopha und auch Abends vor der Sonne – ich mag kaum ausgehen.« Dennoch mußte er gleich am ersten Tag zu Elisa v. d. Recke, die nach Dresden übergesiedelt war. Unlustig ließ er die Ehrungen über sich ergehen. »Ich mußte neben Elisa sitzend vor dem ausgedehnten Zirkel mich hören und sehen lassen; es ist kein Spaß.« Natürlich besuchte er auch Tieck, und wieder zeigte sich, daß Tieck der einzige von den Romantikern war, der ein aufrichtiges Verhältnis zu Jean Paul hatte. Tieck schrieb ihm in seinem Abschiedsbrief: »Ein gerührtes Freundesherz sieht Ihnen nach mit dem vollsten Gefühle, was Sie meiner Jugend waren, was Sie dem Manne sind und künftig immer sein werden.« Bei Tieck traf er auch nach langen Jahren wieder Helmina von Chézy. Aber sie erinnerte ihn jetzt nicht mehr an seine Liane. Die Zeit hatte sie »unkenntlich verdickt«.
    Der Sprachforscher Wolke, zu dessen vorzüglichsten Anhängern Jean Paul gehörte, kam von Leipzig herüber, um ihn zu begrüßen. Wolke hatte bekanntlich mit seiner Sucht, die Endung »-ung« im Deutschen fortzulassen, auch auf Jean Paul eingewirkt, und es war Wolkes Einfluß, wenn er seine »Levana« eine »Erziehlehre« statt »Erziehungslehre« genannt hatte. Seite an Seite mit Wolke hatte Jean Paul auch gegen das Verbindungs»s« angekämpft und diesem Gedanken sogar eine stattliche Reihe von Aufsätzen in Cottas »Morgenblatt« gewidmet, die er später unter dem Titel »Über die deutschen Doppelwörter« sogar als Buch hatte erscheinen lassen. Wolkes Versuche, die Sprache zu reformieren, waren natürlich gänzlich ergebnislos, und es war kaum mehr als eine Schrulle Jean Pauls, sich für Wolke einzusetzen. Weniger herzlich als der Reformer wurde in Dresden Adolf Müllner, der Vater der Schicksalstragödie, von Jean Paul begrüßt. Jean Paul lehnte es entschieden ab, diesen Mann, den er für anrüchig hielt, zu empfangen, und Müllners unablässige Versuche, vorgelassen zu werden, führten zu einigen komischen Szenen.
    Am wichtigsten aber sollte für den alternden Dichter seine Bekanntschaft mit seinem Neffen Richard Otto Spazier, dem Sohne Minnas, werden. Spazier war damals ein junger Student, noch nicht sehr um Wissenschaften und Künste bemüht. Von seinem berühmten Oheim hatte er noch nichts gelesen und sah überhaupt diesem Besuch mit Zweifel und Angst entgegen. In Minnas Familie galt Jean Paul in erster Linie als strenger Erzieher seiner Kinder und seiner Umgebung, deshalb ging der junge Mann seinem Oheim zunächst aus dem Wege, bis die Mutter schließlich eine Begegnung erzwang. Da Richard Otto im gleichen Monat wie der verstorbene Max Richter geboren war, glaubte Minna ihren Sohn dazu ausersehen, dem von ihr geliebten und angebeteten Schwager den verlorenen Sohn zu ersetzen, und in der Zukunft sollte Spazier dem vereinsamten Jean Paul fast mehr als ein Sohn werden.
    Wie erstaunte der junge Student, als er endlich dem gefürchteten Oheim gegenübertrat, über Jean Pauls milde und zurückhaltende Art. Die ausführliche Beschreibung seines Verhältnisses zu dem Dichter, die Spazier später in seiner großen fünfbändigen Biographie gab, ist die rührendste und schönste Schilderung des Dichters in seinen letzten Jahren, die wir haben. »Während ein starker, doch untersetzter, nachlässig in einen unscheinbar grünen Sommerrock gekleideter, freundlicher Mann mit gebräuntem starken Gesicht, einem den Blick des andern nicht niederschlagenden mildstrahlenden blauen Auge in meinen Zügen und dem Profile forschte, fühlte der innere Mensch sich gleich so freigelassen, um mit Vergnügen auf dem danebenstehenden Stuhle den gelben Strohhut mit grünem Futter, dabei einen starken Stock und einen weißen Pudel mit einer

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