Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
sich einander zurufen in ihren Kerkern und ihre entfernten Seufzer vereinigen in ihrer Wüste! –
    Wie bei einem wahren Sterben näherte der Genius seinen Zögling in diesem nachgeahmten auf der Stufenleiter der fünf Sinne dem Himmel. Er schmückte den scheinbaren Tod zum Vorteile des wahren mit allen Reizen aus, und Gustav stirbt einmal entzückter als einer von uns. Anstatt daß andere uns die Hölle offen sehen lassen: verhieß er ihm, er werde wie Stephanus an seinem Sterbetage den Himmel schon offen sehen, eh’ er in ihn aufsteige. – Dies geschah auch. Ihr unterirdisches Josaphats-Tal hatte außer der erwähnten Kellertreppe noch einen langen waagrechten Kreuzgang, der am Fuße des Bergs ins Tal und ins Dörfchen darin offen stand, und den zwei Türen in verschiedenen Zwischenräumen versperrten. Diese Türen ließ er in der Nacht vor dem ersten Junius, als bloß die weiße Mondsichel am Horizonte stand und wie ein altergraues Angesicht sich in der blauen Nacht nach der versteckten Sonne wandte, mitten in einem Gebete unvermerkt aufziehen – – und nun siehst du, Gustav, zum ersten Male in deinem Leben und auf den Knien in das weite, 9 Millionen Quadratmeilen große Theater des menschlichen Leidens und Tuns hinein; aber nur so wie wir in den nächtlichen Kindheitjahren und unter dem Flor, womit uns die Mutter gegen Mücken überhüllte, blickest du in das Nachtmeer, das vor dir unermeßlich hinaussteht mit schwankenden Blüten und schießenden Feuerkäfern, die sich neben den Sternen zu bewegen scheinen, und mit dem ganzen Gedränge der Schöpfung! – – O! du glücklicher Gustav; dieses Nachtstück bleibt noch nach langen Jahren in deiner Seele wie eine im Meere untergesunkne grüne Insel hinter tiefen Schatten gelagert und sieht dich sehnend an wie eine längstvergangne frohe Ewigkeit…. Allein nach wenigen Minuten schloß der Genius ihn an sich und verhüllte die suchenden Augen mit seinem Busen; unvermerkt liefen die Himmeltüren wieder zu und nahmen ihm den Frühling.
    In zwölf Stunden steht er darin; aber ich werde ordentlich beklemmt, je näher ich mich zu dieser sanften Auferstehung bringe. Es rührt nicht bloß daher, daß ich nur ein einziges Mal in meinem Leben einen solchen des Himmels werten Geburttag wie Gustavs seinen in meinem Kopfe auf- und untergehen lassen kann, einen Tag, dessen Feuer ich an meinem Pulse fühle und wovon nur Widerschein aufs Papier herfällt – auch nicht bloß daher kommt es, daß nachher der schöne Genius ungekannt von Autor und Leser wegziehet – sondern daher am meisten, daß ich meinen Gustav aus der stillen Demantgrube, wo sich der Demant seines Herzens so durchsichtig und so strahlend und so ohne Flecken und Federn zusammensetzte, hinauswerfe in die heiße Welt, welche bald ihre Brennspiegel auf ihn halten wird zum Zerbröckeln, aus seiner Meerstille der Leidenschaften heraus in den sogenannten Himmel hinein, wo neben den Seligen ebenso viele Verdammte gehen. – Aber da er alsdann auch der großen Natur ins Angesicht schauen darf: so ists doch nicht sein Schicksal allein, was mich beklommen macht, sondern meines und fremdes, weil ich bedenke, durch wieviel Kot unsere Lehrer unsern innern Menschen wie einen Missetäter schleifen, eh’ er sich aufrichten darf! – Ach hätte ein Pythagoras, statt des Lateinischen und statt der syrischen Geschichte, unser Herz zu einer sanft erhebenden Äolsharfe , auf welcher die Natur spielet und ihre Empfindung ausdrückt, und nicht zu einer lärmenden Feuertrommel aller Leidenschaften werden lassen – wie weit – da das Genie, aber nie die Tugend Grenzen hat und jeder Reine und Gute noch reiner werden kann – könnten wir nicht sein! –
    So wie Gustav eine Nacht wartet, will ich auch meine Schilderung um eine verschieben, um sie morgen mit aller Wollust meiner Seele zu geben.

Fünfter Sektor oder Ausschnit t
     
    Auferstehung
    Vier Priester stehen im weiten Dom der Natur und beten an Gottes Altären, den Bergen, – der eisgraue Winter mit dem schneeweißen Chorhemd – der sammelnde Herbst mit Ernten unter dem Arm, die er Gott auf den Altar legt und die der Mensch nehmen darf – der feurige Jüngling, der Sommer, der bis nachts arbeitet, um zu opfern – und endlich der kindliche Frühling mit seinem weißen Kirchenschmuck von Blüten, der wie ein Kind Blumen und Blütenkelche um den erhabenen Geist herumlegt und an dessen Gebete alles mitbetet, was ihn beten hört. – Und für Menschen kinder ist ja der

Weitere Kostenlose Bücher