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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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ausmalen, meine Schreibmaterialien auf das Weiden und Verlieben zweier Kinder verwende. Beides lief bis in den Herbst hinein fort, und ich möchte es abschildern; aber, wie gesagt, die Scham vor den Bakkalaureen! – Und doch gönn’ ich dir, winziger Träumer, so sehr diese weiße Sonnenseite deines Lebens an deinem Berge und dein Lamm und dein Auge! Und ich möchte so gern die Tage, die vor dir vorüberlaufen und deinen kleinen Schoß mit Blumen überlegen, zum Stehen bringen, damit der Leichenzug der bewaffneten Tage hinten halten müßte, die deinen Schoß entlauben können – dein Lusthölzchen lichten – dein Lamm stechen – deiner Regina Dienstgeld zur Magd geben!
    Aber im Oktober fährt alles nach Unterscheerau; und die Kinder wissen noch nicht einmal, daß es Lippen und Küsse gibt!
    O Wochen der vorersten Liebe! warum verachten wir euch mehr als unsre spätern Narrheiten? Ach an allen eueren sieben Tagen, die an euch wie sieben Minuten aussehen, waren wir unschuldig uneigennützig und voll Liebe. Ihr schönen Wochen! ihr seid Schmetterlinge, die aus einem unbekannten Jahre herüberlebten, um unserem Lebens-Frühlinge vorzuflattern! Ich wollte, ich dächte von euch noch so enthusiastisch wie sonst, von euch, wo weder Genuß noch Hoffnung an Grenzen stockten! – Du armer Mensch! wenn der zarte weiße, die ganze Natur überzaubernde Nebel deiner Kinderjahre herunter ist: so bleibst du doch nicht lange in deinem Sonnenlichte, sondern der gefallene Nebel kriecht wieder als dichtere Gewitterwolke unten rings am Blauen herauf, und am Jünglings-Mittage stehest du unter den Blitzen und Schlägen deiner Leidenschaften! – Und abends regnet dein zerschlitzter Himmel noch fort! –

Achter Sekto r
     
    Abreise – weibliche Launen – zerschnittene Augen
    Da die Edelleute und Waldratten im Sommer das Land, im Winter die Stadt bewohnen: so tats der Rittmeister auch; denn die schöne Natur (meint’ er und sein Gerichthalter) läuft am Ende auf nichts als auf ein Inventarium von Bauern hinaus, deren Ellbogen und Schenkel in einer Scheide halb von Zwillich, halb von aufgeflicktem Leder stecken, auf Sumpfwiesen, auf Brachfelder und auf Schweinvieh, und es gibt da nichts zu empfinden als Gestank – in der Stadt hingegen ist doch ein Stück Fleisch zu haben, ein Spiel französischer Karten, einiger wahrer Spaß und ein Mensch. Es ist jugendliche Unduldsamkeit, einem Manne, der kein Gefühl für Musik und Gegenden hat, auch das für fremde Not und Ehre abzusprechen, besonders dem Rittmeister.
    Noch viel wichtigere Gründe trieben ihn nach Scheerau; er suchte da 13 000 Rtlr., eine Menge Rekruten und einen Hofmeister. – Den letzten zuerst! Seine Frau sagte: »Gustav muß jemand haben, es fehlt ihm noch an Lebensart!« Aber Hofmeistern fehlts nicht daran – diese Infanten aus dem Alumneum, die nichts hebt als eine Kanzeltreppe, die so lange die Seelenhirten des jungen Edelmanns sind, bis sie die Seelenhirten der Gemeinde werden, welche ihr Zögling regiert, diese Erzieh-Poussierer sind imstande, nicht bloß den Kopf des Junkers – wie der Vater hofft –, sondern auch den Rumpf desselben – wie die Mutter hofft – recht gut zu formen und zu glätten, erstlich ohne eigne Glätte, zweitens in Lehrstunden, drittens mit Worten, viertens ohne Weiber, fünftens auf eine sechste Art, dadurch, daß der Hofmeister das weiteste Löwenherz zu einem schläfrigen Dachsherzen einkrempt.
    Der zweite metallische Sporn, der den Rittmeister nach der Stadt forttrieb, war das Geld. Niemand kam so leicht in den Fall, ein Gläubiger sowohl als ein Schuldner zu werden, als er: die halbe Nachbarschaft hatt’ er, weil er weder sich noch andern etwas abschlug, zuletzt in seine Gäste und seine Schuldner verwandelt; aber jetzt verwandelte er darüber sich beinahe selber in beides, wenn nicht der Landesherr seinen zerrollenden Geldhaufen wieder aufbauete. Er mußte also nach der Residenz Oberscheerau die mißliche Bitte mitbringen, daß ihm jener 13 000 Rtlr. nicht sowohl schenken oder leihen – das wäre zu machen gewesen – als bezahlen möchte, als ein Kapitel von sieben Jahren. Der scheerauische Sophi hatte nämlich die Gewohnheit, keine Geliebte abzudanken, ohne ihr ein Landgut, oder ein Regiment, oder einen gestirnten Mann mitzugeben; – er ließ von einer Geliebten allzeit noch so viel übrig, daß noch eine Ehefrau für einen Ehetropfen daraus zu machen war, wie der Adler und Löwe (auch Fürsten der Tiere) allemal ein

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