Saemtliche Werke von Jean Paul
feinsten Sälen aller Länder schon etwas Altes geworden war. Er trug – denn wie lang’ war er vom Reisen heim? – den Fürstenhut mit der Ungezwungenheit eines Damenhutes; keine lange Regierung hatte noch die Krone finster hereingedrückt, und die geraden Menschen brachen sich in den Medien, Feuchtigkeiten und Häuten seines Auges noch nicht zu krummen Baugefangnen. Seine Worte bot er mit der Freigebigkeit eines Weltmanns noch wie Schnupftabak herum. Endlich erhielt auch Falkenberg eine Prise. Ich sehe meine beiden Prinzipale noch gegeneinander stehen – meinen adeligen und verborgenden Prinzipal mit dem festen, aber gehorchenden Anstande eines Soldaten, in Embonpoint und aufquellende Muskeln gedrückt, und mit dem leichtgläubigen Wohlwollen, das gutmütige Menschen für jeden hegen, der gerade mit ihnen spricht – den gekrönten und insolventen Prinzipal aber mit dem malerischen Anstand, worin jedes Glied sich in den andern hinein verbeugt und worin selbst die Stellung eine fortdauernde Schmeichelei ist, mit einem vielblätterigen Faltenwurf im lahmgespannten Gesicht, mit einer Gefälligkeit, die weder verweigert noch hält. Meine Pate sah die allgemeine Gefälligkeit des Kronträgers für eine ausschließende gegen sich an; sie dachte, er tue seine Fragen, um eine Antwort zu haben; und als vollends mein gnädigster Fürst und Landesherr geäußert hatten: »der kleine Gustav sei hier an seiner Stelle, er interessiere durch sein air de reveur stärker, als man sich selber die Rechenschaft zu geben wisse, und man würde ihn, sobald er für diese Zimmer groß genug wäre, dem Vater mit 13 000 Rtlr. Handgeld abkaufen«: so war der Rittmeister außer sich, oder vielmehr aus seiner Bitte; seine Bittschriften wurden Dankadressen; sein Wunsch war, daß ich schon acht Jahre Hofmeister bei ihm gewesen wäre; seine Hoffnung war, das Geld komme nach; und der wahre Vorteil war, daß der Sohn ins beste deutsche Kadettenhaus käme.
Man tut mir keinen Gefallen, wenn man ihn auslacht. Freilich schwur er auf seinem Schlosse, »Hofleuten traue er keine Hand breit und die ganze Nation stink’ ihn an«; hingegen solchen Hofleuten, mit denen er gerade zu tun hatte, traut’ er mehr – allein militärische Unwissenheit der Rechte ist bei ihm an vielem schuld; wie soll er als Soldat wissen, daß ein Fürst zu keiner Bezahlung verbunden ist? – Vielleicht ists nicht einmal allen Lesern so bekannt, als sie vorgeben werden. Ein Regent braucht aus drei Gründen nicht einen Heller zu bezahlen, den er seinen Landeskindern abgeliehen (borgte sein Herr Vater: so versteht sichs von selber). Erstlich: ein Gesandter, er sei vom ersten oder dritten Rang, stieße die ältesten Publizisten vor den Kopf, wenn er seine Schulden abtrüge; nun kann er, der ja der bloße Repräsentant und die abgedrückte Schwefelpaste des Regenten ist, unmöglich Rechte haben, die dem Urbilde abgehen, folglich wird nicht bezahlt. Zweitens: der Fürst ist – oder wir dürfen unsern akademischen Nachmittagstunden kein Wort mehr glauben – der wahre summarische Inbegriff und Repräsentant des Staates (wie wieder der Envoyé ein Repräsentant des Repräsentanten ist oder ein tragbarer Staat im kleinen) und stellet folglich jedes Staatsglied, das ihm einen Kreuzer leihet, so vor, als wenn ers selber wäre; mithin leihet er sich im Grunde selber, wenn ein solches zu seinem repräsentierenden Ich gehöriges Glied ihm leihet. Gut! man gesteht es; aber dann gestehe man auch, daß ein Fürst sich so lächerlich machen würde, wenn er seinen eignen Landeskindern wieder bezahlen wollte, als sich der Vater des Generals Sobouroff machte, der die Kapitalien, die er sich selber vorstreckte, sich ehrlich mit den landesüblichen Interessen heimzahlte und sich nach dem Wechselrecht bestrafte. Woher käm’ es denn als aus der Verwandtschaft mit dem Throne und dessen Rechten, daß sogar Große im Verhältnis ihres Standes und ihrer Schuldenmasse fallieren dürfen? Oder warum ist ein gerichtliches Konsens- oder Hypothekenbuch der richtigste Hofadreßkalender oder almanac royal? –
Drittens: der geflickteste Untertan kann sich von seinem Fürsten Anstandbriefe oder Moratorien verschaffen; wer soll sie aber dem Fürsten geben, wenn ers nicht selber tut? Und tut ers Gewissens halber nicht: so kann er sich doch wenigstens alle fünf Jahre ein erneuertes Quinquennell bewilligen.
Einen vierten Grund wüßt’ ich aber nicht.
Vierzehnter Sekto r
Eheliche Ordalien – fünf
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