Saemtliche Werke von Jean Paul
zugeschlossen war, zum Schulmeister gesagt hätte: »er solle sie zulassen, er habe die Kirchleute gezählet, und drei wären nicht mit herausgegangen.« Kurz man blockierte den Tempel bis nachts und – zog glücklicherweise drei versteckte Tuchkorsaren aus dem Andachtorte heraus. Am Morgen erstaunt alles, die drei Kirchgänger fahren auf einem Leiterwagen zum Scheerauer Tor hinein und haben sämtlich schwarze Röcke und Unterkleider an – abends sind sie verschwunden. Für den Hof (wenn er nicht noch geschlafen hätte) wars ein häßlicher Prospekt, daß eine Räuberbande so gut wie er Hoftrauer angelegt und sich deswegen die Trauergarderobe aus Kirchen gestohlen hatte.
»Henken sollte man dich,« sagte der Rittmeister zu seinem Kerl – »arme Diebe ins Unglück zu bringen, die keinem Menschen etwas nehmen, sondern nur Kirchen.« – »Aber für solche Schufte« (sagt’ ich) »gehört doch auch keine Hoftrauer, schon des Aufwands wegen. Warum darf man überhaupt nicht seinen leiblichen Vater , aber wohl den Landesvater betrauern? – Oder warum verstattet die Kammer den Landeskindern noch das Weinen, da doch das die Tränendrüsen des Staats erschöpft und da die Tränen noch steuerfrei sind?« –
»Sie greifen zu weit,« sagte der Rittmeister; »gerade so wie bisher muß die zeitige Regierung bleiben, wenn sie sich von allen vorigen durch die Sorgfalt auszeichnen soll, womit sie über unsern Flor, über alle unsere Pfennige und Pulsschläge wacht.«
»Die Negermarketender« (sagte der Doktor, aber unpassend genug) »wachen noch mehr; denn einen Sklavenhandelsmann kümmert die Unpäßlichkeit eines solchen Stück-Menschen oder Sklaven mehr als seiner Frau ihre. Sogar Bewegung und Tanz soll sein menschlicher Viehstand haben, und er prügelt ihn dazu.«
»Ackerbau,« (fuhr er fort) »Handel, Fabriken, Volksreichtum und Volkswohlleben sogar, kurz die Körper der Untertanen kann der schlimmste Despot erheben und nähren – aber für ihre Seelen kann er nichts tun, ohne alles wider seine zu tun.«
Ich bin oft auf den Gedanken gefallen, ob nicht die Trauerordnungen oder -abordnungen haben wollen, daß der pfiffige und traurige Staatsbürger die Erlaubnis der Landtrauer benütze und seine Haustrauer mit ihr zusammenwerfe. Könnt’ er nicht seinen Einzelkummer über die Sterblichkeit seiner Tanten, seiner Vettern aufheben, bis ein allgemeiner einfiele, und so, wenn das Land den Kondolenzflor um Arm und Degen gewickelt hätte, alles in Pausch und Bogen wegtrauern und sich hinter dem nämlichen Flor über eine Landsmutter und eine Stiefmutter betrüben? Höfen wär’s leicht. Ja könnten diese nicht in der Landestrauer ihre Sippschaft gar voraus betrauern? Könnte man überhaupt nicht die ganze Narrheit bleiben lassen? –
Mein neuer Landesherr stieg endlich aus dem Reisewagen auf den Thron und verwechselte den Kutschenhimmel mit dem Thronhimmel. Der Rittmeister hielt vor der Krönung eine Bittschrift bereit, worin er so trotzig wie ein Sattler sein Geld verlangte; nach der Krönung hatte der Fürst wie ein Demant so viel Feuerglanz aus seiner Krone und seinem Zepter eingeschluckt, daß sein Gläubiger vom Gerichthalter ein neues Memoriale machen ließ und bloß um die Zinsen anhielt. Da er nichts bekam, nicht einmal eine Resolution: so wollt’ er mehr fordern. Denn er bedachte nicht, daß unsere regierende Brotherrn in Scheerau selten Geld haben. Wenn wir außerordentliche Gesandtschaften bekommen oder senden, wenn wir taufen oder begraben lassen, der Kriege gar nicht zu erwähnen: so haben wir wenig oder nichts als – Extrasteuern, diese metallischen Stützen und Klammern des mürben Thrones. In dem Kammerbeutel deuten wir, wie in der Heraldik, das Silber durch leeren Raum an.
Aber dem Schuldner und Gläubiger war bald geholfen. Letzter, der Rittmeister, marschierte als Cicerone mit seinem Gustav durch das Kadettenhaus und zeigte ihm alles, um ihm alles zu loben, weil er mit seinem Kopf einmal in einen Ringkragen hinein sollte – als der junge Fürst auch ankam und auch alle Gemächer besah, nicht um alles wieder auf dem nächsten Sattel zu vergessen, sondern um gar nichts zu bemerken. Es tat mir leid – denn ich war auch mitgekommen –, daß jeder Professor sich darauf verließ, der Regent zähle, wenn nicht jedes Haar auf seinem Haupte, doch jede Locke an seiner Perücke; denn er wurde nicht einmal meiner und meines Anstandes ansichtig; aber ganz natürlich, da ihm ein solcher Anstand in den
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