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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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und an deren Hüften und Reizen ich ordentlich vor Bewunderung dumm wurde, bis ich zum Glück ihre allgemeine Koketterie und ihre Untreue gegen ihren Inkognito-Liebhaber verspürte – sechstens in den ganzen Scheerauer Hof, wo ich nach dem Recht der toten Hand den Empfang einer lebendigen Hand, die eine Schülerin der meinigen werden wollte, für eine Investitur zum ganzen Herzen und Vermögen ansah – siebentens sogar in ein wahres Kind, in Beata (die obgedachte Tochter von Röper), für welche ich alle Wochen einmal bei schlechtem Wetter und ebenso schlechtem Honorar aufs Land lief und bei der an gar nichts anders zu denken war als an Liebe – kurz in alles, in Laubknospen, Blütknospen, Blüten und Früchte verschießet sich ein Mensch, der ein Klaviermeister ist.
    Nun kommt der Weltmann. Ich kann mich zwar meinen Lesern (wovon ich mir die Volkmenge und richtigere Tabellen wünschte) nicht persönlich zeigen; aber die Scheerauer, denen dieses Blatt vorkommt, werden hier aufgefordert, ihre Gedanken zu sagen und abzuurteln, ob ein Mann, der der großen Welt täglich drei Klavierstunden gibt, mehr ihr Lehrer als ihr Schüler ist. Anstand, Gang, geschmackvoller Anzug, Attitüden, steilrechte, waagrechte und quere, sind zwar nicht die geforderten Vorzüge des Autors, obwohl des feinen Gesellschafters, und können nicht gedruckt werden; aber ich verfechte nur so viel: bloß an einem Hofe lernt mans, zumal bei einigem Einfluß, und wenn man mitspielt, es sei am L’hombretisch oder am Klaviertisch , der, wie manche Brust am Hofe, unter der stummen Holzplatte ein holdes Saitenspiel verbirgt. Wenn man freilich wieder in seinem Museum auf- und abgeht, unter großen Büchern und großen Männern, begleitet von der ganzen republikanischen Vergangenheit, emporgerichtet zur tiefen Perspektive der unendlichen Welt hinter dem Grabe: so verachtet selber der Inhaber seine Konchylien-Vorzüge; er fragt sich: gibt es nichts Bessers als über seinen Körper (anstatt über Leidenschaften) Herr zu sein und ihn so leicht zu tragen wie nach den drei ersten Gläsern Champagner – seinen Ton in den allgemeinen Ton hineinzustimmen, weil an Höfen und Klavieren keine Taste über die andre hinausklingen darf – auf dem dünnen schaukelnden Brette der weiblichen Launen so fliegend wegzueilen, daß unsere Tritte die Schwankungen bloß begleiten – schön zu tanzen und zu gehen, soweit es mit einem langen Bein tunlich ist (denn freilich wenn ein Klaviermeister mit einem Kurzbein zu kämpfen hat: so mag der Henker auf beiden so zierlich aufstehen wie der Prinz von Artois) – kurz allen Verstand zu Narrheit zu sublimieren, alle Wahrheiten zu Einfällen, alle Kraftgefühle zu pantomimischen Nachäffungen? – – Nichts Bessers, fragt der Läufer im Museum, gibt es? –
    – Etwas viel Bessers gibts: ein Informator zu werden in Auenthal bei so einem Himmel-Kinde, wie Gustav ist, und den ganzen Spuk drucken zu lassen. –

Dreizehnter Sekto r
     
    Landestrauer der Spitzbuben – Scheerauer Fürst – fürstliche Schuld
    Der Kronprinz, auf dessen Zahlen der Rittmeister wartete, war noch auf der ausländischen Kunststraße, von der er auf den Thron wie auf einen Turm hinauffuhr. Drei arme Spitzbuben hielten ihren Einzug noch früher als er. Es kann erzählet werden: Seitdem Tode des Höchstseligen – der Papst ist der Allerseligste – wurde eine Kirche um die andre im Scheerauischen nicht ausgestohlen, sondern ausgekleidet; die Kirchendiebe schälten bloß das Landtrauertuch, das unsere Kanzeln und Altäre anhatten, wieder ab. Die Kirchner und Kantores fanden alle Morgen skalpierte heilige Stätten, und die Pfarrer mußten darin stehen in dem Frühgottesdienst. Nun hatte neulich der Geldgreifgeier, Kommerzien-Agent Röper, in der Maußenbacher Kirche Altar und Kanzel am Bußtage mit einem Frack von schwarzem Tuch – buntes war ihm nicht heilig und wohlfeil genug – übersohlen lassen. Diese schwarze Emballage blieb daran als Landtrauer. Der alte Röper hatte mithin wenig Schlaf mehr, weil er besorgte, die Kirchen-Greifgeier zögen dem Maußenbacher Altar das Ehrenkleid aus und nähmen den mit silbernen und seidnen Lettern aufs Tuch genähten Schuldschein mit, welcher besagte, wer alles hergeschenkt. Sein Gerichthalter Kolb , dem ein Diebfang Zobelfang und Perlenfischerei ist, umgab daher die Kirche mit allerlei Falkenaugen; es wäre auch nichts gewesen, wenn nicht der Falkenbergische Bediente Robisch am Sonntage abends, sobald die Kirche

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