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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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wurden es durch Regierung und Klima.
    Es ist ein Unglück für das Schönste, was der menschliche Geist geboren hat, daß dieses Schönste unter den Händen der Primaner, Sekundaner und Tertianer zerrieben wird – daß das Scholarchat glauben kann, die bessere Ausgabe oder die besseren Nominal- und Real-Erklärungen setzten die jungen Gymnasiasten mehr instand, die erhabenen klassischen Ruinen zu fassen, als eine bessere von Druckfehlern gesäuberte Ausgabe des Shakespeares und die beigefügten Novellen nebst den Noten einen Schulmann oder Franzosen instand setzen würden, die Augen vor diesem englischen Genius aufzuschließen – daß sonach das Scholarchat sich einbildet, einen Hämling oder Täufling erhalte nichts kalt gegen die Reize einer Kleopatra als die Hüllen dieser Reize – und daß die Scholarchate nicht mir und der Natur nachgehen . – –
    Die Natur erzieht nämlich unsern Geschmack durch vorragend Schönheiten für feinere; der Jüngling zieht den Witz der Empfindung vor, den Bombast dem Verstand, den Lukan dem Virgil, die Franzosen den Alten. Im Grunde hat dieser minderjährige Geschmack nicht darin unrecht, daß er gewisse niedere Schönheiten stärker empfindet als wir, sondern daß er die damit verbundnen Flecken und höhere Reize schwächer empfindet als wir alle; denn wir würden nur desto vollkommner sein, wenn wir zugleich mit dem jetzigen Gefühl für das griechische Epigramm das verlorne Jugend-Entzücken über das französische verknüpfen könnten. Man sollte also den Jüngling sich an diesen Leckereien, wie der Zuckerbäcker seinen Lehrjungen an andern, so lange sättigen lassen, bis er sich daran überdrüssig und für höhere Kost hungrig genossen hätte; – jetzo aber übersetzt er sich umgekehrt an den Alten satt und bildet und reizet damit seinen Geschmack für die Neuern. In unserer Autoren-Welt erscheinen die traurigen Folgen davon, daß Scholarchate den Anfang mit dem Ende machen und von Schriftstellern, die bloß dem zartesten besten Geschmacke die letzte Ründe geben, den gymnasiastischen aus dem Groben wollen hauen lassen und so weder der Natur folgen noch mir.
    Die Scholarchate besorgen freilich, »dadurch käme unter die jungen Leute mehr Witz, als schicklich ist, wenn man den Seneka, Epigrammen und verdorbne Autores lese«. Meine erste Antwort ist, daß die Konstitution des Deutschen robust und gesund genug ist, um dem Fleckfieber des Witzes weniger ausgesetzt zu sein als andre Völker. Z. B. das witzige Buch »Über die Ehe« oder Hamanns Schriften machen wir durch tausend reine Werke wieder gut, wo der Witz nicht darin ist. Ich habe daher oft gedacht, so wie der Deutsche von seinen Vorzügen wenig weiß, so weiß er auch von dem nichts, daß er nicht überflüssigen Witz hat, obgleich die Rezensenten mir und den Verfassern der Romane diesen Überfluß oft genug vorwerfen. Aber ich und diese Verfasser verlangen unparteiische Richter hierüber; sogar diese sonst unbedeutenden Rezensenten selber sind hierin einem Seneka und Rousseau, die beide den witzigen Stil verdammten, bekämpften und doch haschten, zu ihrem Ruhm so wenig ähnlich, daß sie den Fehler des Witzes strenge an andern rügen und glücklich selber vermeiden.
    Meine zweite Antwort ist tiefer: eh’ der Körper des Menschen entwickelt ist, schadet ihm jede künstliche Entwicklung der Seele; philosophische Anstrengung des Verstandes, dichterische der Phantasie zerrütten die junge Kraft selber und andre dazu. Bloß die Entwicklung des Witzes, an die man bei Kindern so selten denkt, ist die unschädlichste – weil er nur in leichten flüchtigen Anstrengungen arbeitet; – die nützlichste – weil er das neue Ideen-Räderwerk immer schneller zu gehen zwingt – weil er durch Erfinden Liebe und Herrschaft über die Ideen gibt – weil fremder und eigner uns in diesen frühen Jahren am meisten mit seinem Glanze entzückt. Warum haben wir so wenig Erfinder und so viele Gelehrte, in deren Köpfen lauter unbewegliche Güter liegen und die Begriffe jeder Wissenschaft klubweise auseinandergesperrt in Kartausen wohnen, so daß, wenn der Mann über eine Wissenschaft schreibt, er sich auf nichts besinnt, was er in der andern weiß? – Bloß weil man die Kinder mehr Ideen als die Handhabung der Ideen lehrt und weil ihre Gedanken in der Schule so unbeweglich fixiert sein sollen wie ihr Steiß.
    Man sollte Schlözers Hand in der Geschichte auch in andern Wissenschaften nachahmen. Ich gewöhnte meinem Gustav an, die

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