Saemtliche Werke von Jean Paul
der Rezensent; aber »so handelt der Knicker stets, dem geringere, aber silberhaltige Leute lieber sind als standmäßige nehmende Gäste und der einen eignen Bedienten über einen fremden Freund und über den Stand die Nutzbarkeit hinaufsetzt«, sag’ ich. – Luise, die Kommerzien-Agentin von Röper, legte jeder Bier-Arche ihres Mannes noch eine kleine Schaluppe zu; seine Geschenke waren ihr allemal ein Vorwand, geheime Zusätze dazu zu machen. Nur befahl sie dem Dorfrichter, ein wachsames Auge darauf zu haben, daß ihr von der Bierhefe nichts verloren gehe. Die Natur hatte ihr eine freie liebende Seele gegeben; aber eben diese Liebe für ihren Mann ließ ihr von seinen Fehlern wenigstens den Schein.
Du treues Herz! Lasse mich einige Zeilen bei deiner ehelichen Uneigennützigkeit verweilen, die alle eigne Wünsche für Sünden und alle Wünsche ihres Mannes für Tugenden hält, und der kein Lob gefället als eines auf den, welchen du übertriffst! Warum bist du nicht einer Seele zugefallen, die dich nachahmt und kennt und belohnt? Warum waren dir für deine Aufopferungen, für deine Herzensrisse hienieden keine schmerzstillenden Tropfen als die beschieden, die deinetwegen aus den schönen Augen deiner Tochter fallen? – Ach du erinnerst mich an alle deine Leidens-Mitschwestern. – Ich weiß es zwar aus meiner Seelenlehre recht gut, ihr armen Weiber, daß euere Leiden nicht so groß sind, als ich mir sie denke, eben weil ich sie denke und nicht fühle, da der Blitz, der in der Ferne der Vorstellung zu einer Flammen-Schlange wird, in der Wirklichkeit nur ein Funke ist, der durch mehre Augenblicke schießet; aber kann sich ein Mann, ihr weiblichen Wesen, die Seelen-Schwielen und Brüche denken, die sein grober, von Waffen gehärteter Finger in euere weichen Nerven drücken muß, da er nicht einmal so sanft mit euch umgeht, wie ihr mit ihm, oder er selber mit saftvollen glatten Raupen, die er nur mit dem ganzen Blatte, worauf sie liegen, wegzutragen wagt?… Und vollends eine Luise und eine Beata! – Aber wäre Jean Paul nur euer Gerichthalter, wie ihm der Alte zugesagt, er wollt’ euch trösten genug….
Es ist aber auf den Alten schlecht zu bauen: schleicht er nicht in ganz Unterscheerau umher und voziert im voraus alle Advokaten zu seiner Gerichthalterei, um uns Rechtsfreunde durch die Hoffnung, unter ihm zu dienen, vom Entschlusse wegzubringen, gegen ihn zu dienen? – Inzwischen muß ers doch mit einem ehrlich meinen, der ich wohl bin.
Als die böheimische Ritterschaft und ich von der Wiese ins Schloß eintraten: so stieß sie und ich auf etwas sehr Schönes und auf etwas sehr Tolles. Das Tolle saß beim Schönen. Das Tolle hieß Oefel, das Schöne hieß Beata. Der Himmel sollte einem Autor eine Zeit geben, sie zu schildern, und eine Ewigkeit , sie zu lieben; Oefeln kann ich in drei Terzien ausmalen und auslieben. Es gereichte mir und ihr zur Ehre, daß sie in ihrem alten Klavier-Lehrer sogleich den Bekannten wiederfand; aber es gereichte mir zu keiner Freude, daß sie am Bekannten nichts Unbekanntes entdeckte und daß sie bei meinem Anblick sich nicht erinnerte, aus einem Kind ein Frauenzimmer geworden zu sein. – Es gibt ein Alter, wo man Schönen doch verzeiht, wenn sie uns auch nicht bemerken und nicht annehmen. O ich verzieh dir alles, und der größte Beweis ist der, daß ich davon spreche. – Der junge Jüngling bewundert und begehrt zugleich, der ältere Jüngling ist fähig, bloß zu bewundern. Beatens Empfindungen und Worte sind noch der blendend weiße und reine frische Schnee, wie sie vom Himmel gefallen sind: noch kein Fußtritt und kein Alter hat diesen Glanz beschmutzt. Sie wurde noch schöner, weil sie heute tätiger war als sonst und ihre schönen Schultern den Lasten der Mutter lieh; die blasse Mond-Aurora , die sonst auf ihren Wangen den ganzen Himmel weiß ließ, überfloß ihn mit einem Rosen-Widerschein; auch die fremde Freude, für die sie heute tätig war, gab ihr das erhöhte Kolorit, das sie sonst durch eigne verlor. – Die Mädchen wissen nicht, wie sehr sie Geschäftigkeit verschönere, wie sehr an ihnen und den Taubenhälsen das Gefieder nur schillere und spiele, wenn sie sich bewegen, und wie sehr wir Männer den Raubtieren gleichen, die keine Beute haben wollen, welche festsitzt.
Ihre Mutter sagte mir freudig die Ursache, weswegen der Legationrat dasitze: er hatte Beaten eine Einladung von der Residentin von Bouse gebracht, auf ihr Landgut zu kommen, wo meine Schwester
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