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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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auch ist. Das neue Schloß Marienhof liegt eine halbe Stunde von der Stadt; am neuen hat Oefel das alte innen, das vielleicht durch geheime Türen mit jenem zusammenhängt. Er gab unhöflicherweise zu erraten, ohne sein feines Intrigieren – d. h. er machte, wie die Advokaten, über den schmalsten Bach eine Brücke statt eines Sprunges – wär’ es hinkend gegangen. Unmöglich kann ein solcher eitler Narr von seinem Herzen einen Schiefer-Abdruck in einen so edlen Stein, als Beata ist, ausprägen. Wenn sie auch der Faselhans künftig alle Nachmittage im neuen Schlosse umlagert, wie er tun wird: so kann ich mich doch darauf verlassen – ja ich wollte dafür schwören. Ein Haselant seiner Größe kann zwar ein paar eckige begrasete Landfräulein (wie heute geschah) zu einem verliebten Erstaunen über seine Glockenpolypen-Drehungen, über seinen Mut, über seinen Verstand (d. h. Witz) und seine Unverschämtheit zwingen, statt Damen und Schönen bloß zu sagen Weiber – das kann er und mehr, sag’ ich; aber von Beatens Herz werden ihn ewig alle ihre Tugenden trennen; sie wird neben seiner Liebe zur Ministerin seine zu ihr selber gar nicht sehen und nicht glauben; sie wird ihre Seele keinen Oefelschen empfindelnden Floskeln öffnen, die, wie das falsche Geld, bald zu groß sind, bald zu klein. – Sie wird vielmehr finden, mit einem ehrlichen Jean Paul sei mehr anzufangen; sie wird, hoff’ ich, besagtem Paul die Ähnlichkeit, die er mit Oefel in einigen Vorzügen haben mag, gern verzeihen, da er ohne seine Fehler ist und mit einem treuen bescheidenen Herzen vor ihr steht, das kaum den Mut hat, ihr das feinste Goldblatt des Lobes leise aufzubauchen, und welches schweigt, auch mißverstanden, und zurückweicht, auch ohne versucht zu haben…… Sie wird in ihrem Urteile gerade so von den alten Landfräulein abweichen wie ich von den jungen Landjunkern, die mit dasaßen. Denn Oefels Erscheinung nahm ihnen allen vorigen Witz und Verstand, und sein quecksilberner Anstand goß alle ihre Glieder mit Blei aus; sie zogen in einer Falkenbeize, wo ein solcher Vogel die weiblichen Herzen stieß, ihre plumpen Schwingen an sich und bewunderten vermöge der männlichen Aufrichtigkeit statt der weiblichen Reize seine – Hingegen Jean Paul blieb, wie er war, und ließ sich nichts anhaben.
    Ich würde manchen deutschen Kreis auf die Vermutung einer heimlichen Eifersucht bringen, wenn ich gar nichts zum Lobe Oefels sagte: er versprach am nämlichen Nachmittag meinem Zögling einen großen Dienst. Er hielt sich nämlich, ob er gleich das alte Schloß neben der Residentin zur Miete hatte, nicht darin, sondern im Scheerauer Kadettenhause auf und rückte von Zimmer zu Zimmer, um – da ihm sein hoher Stand verbot, sich sonderbar zu kleiden – wenigstens sonderbar zu handeln; er wollte da Menschen studieren, um sie in Kupfer stechen zu lassen. Er setzte nämlich einen Roman als eine kurze Enzyklopädie für Erbprinzen und Kronhofmeister auf und schrieb auf den Titel »Der Großsultan« – Dieser Fenelon machte den Harem seines Telemachs zu einem Spiegelzimmer, das den ganzen weiblichen Scheerauer Hof widerspiegelte, sein Werk war ein Herbarium vivum, eine Flora von allem, was auf und am Scheerauer Throne wächset, vom Fürsten an bis, wenn er sich noch erinnert, zu mir. Wenns erscheint, verschlingen wirs alle, weil er uns selber darin verschlungen. Die Rezensenten werden nichts darin finden, sondern sagen: »Triviales Zeug!« – Da er nichts tat, was er nicht vorher und nachher aller Welt vortrompetete: so hatt’ es sogar mein Rittmeister gehört, daß er beim Kadettengeneral so lange und so fein intrigiert hatte, bis er statt eines aufsehenden Offiziers die Zimmer des Kadettenschulhauses bewohnen und wechseln durfte; und so kam unser Fürst diesem Menschen-Naturforscher ebenso mit einer menschlichen Menagerie zu Hülfe, wie Alexander dem Aristoteles mit einer tierischen. Der Rittmeister trat also mit seiner siegenden Menschenfreundlichkeit zu ihm und bat ihn, sich für seinen Gustav beim Kadettengeneral geschickt zu verwenden, damit er einmal unter dessen Fahne käme. Der Protektor Oefel sagte, nunmehr sei es schon so gut als richtig; er entzückte sich selber mit der Vorstellung, einen unter der Erde erzognen Sonderling zum Stubenkameraden und zum sitzenden Urbilde zu bekommen.
    Die Strahlenbrechung zeigt Schiffern das Land allezeit um etliche hundert Meilen näher, als es liegt, und stärkt durch so einen unschuldigen Betrug sie

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