Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
daß ich die Hand an dich lege. Es sind nicht zwei, sondern drei Navajos gewesen. Der dritte hat im Eingange Wache gehalten und wohl alles gesehen, ohne die Mordthat verhindern zu können. Er wird seine Moccassins auf deine Fährte setzen und dir folgen, bis sein Messer dir im Herzen sitzt. Dein Skalp sitzt nicht fester auf deinem Haupte, als ein Regentropfen, den der Wind vom Zweige schüttelt. Ich habe keinen Teil an dir, weder im Guten noch im Bösen. Warum wollt ihr nach dem Chellyflusse? Was sucht ihr dort?«
»Ein Stück Land,« erklang es kleinlaut aus dem Munde des seiner Sache vorher so sichern Oelprinzen.
»Gehört es dir?«
»Ja.«
»Wer hat es dir geschenkt?«
»Niemand.«
»Und dennoch behauptest du, daß es dir gehöre!«
»Ja. Es ist ein Tomahawk-Improvement.«
»Es thut mir leid, daß ich das hören muß.«
»Warum?«
»Weil das ein Räuber- und Diebeswort ist! Ein Stück Land am Chellyflusse! Es ist dein! Und hier steht Mokaschi, der Häuptling der Nijoras, welche die rechtmäßigen Herren und Besitzer der ganzen Chellygegend sind! Ihr räudigen Hunde! Was würden die Bleichgesichter jenseits des großen Meeres sagen, wenn wir hinüberkämen und behaupteten, daß ihr Land unser sei? Wir aber sollen es uns gefallen lassen, daß sie über uns herfallen und uns alles nehmen! Ein Stück Land am Chellyflusse, welches dir gehört, obgleich du es von uns weder gekauft noch geschenkt erhalten hast! Meine Faust sollte dich niederschlagen, doch ist sie zu stolz, dich zu berühren. Macht euch fort von hier, fort nach dem Landfetzen, nach welchem eure Seelen schreien! Setzt euch darauf und ihr braucht gar nicht lange zu warten, so wird er euch die blutige Ernte bringen!«
Er streckte die Hand gebieterisch nach dem nördlichen Ausgange aus. Sie stiegen schnell auf ihre Pferde und trabten eiligst fort, im tiefsten Herzen froh, den Ort, der ihnen so gefährlich werden konnte, mit heiler Haut verlassen zu dürfen.
Um die Worte und das Verhalten des Häuptlings zu verstehen, muß man wissen, auf welche Weise sich die Weißen in den Besitz von Ländereien zu setzen pflegten. Nach dem sogenannten Heimstättengesetz kann nämlich jedes Familienhaupt und jeder einundzwanzigjährige Mann, welcher entweder Bürger ist oder Bürger werden zu wollen erklärt, eine noch unbesetzte Parzelle Land von 160 Acres ohne alle Bezahlung erwerben; nur muß er sie fünf Jahre lang bewohnen und bebauen. Außerdem wurden Millionen Acres namentlich an die Eisenbahnen verschleudert.
Und was die Tomahawk-Improvements betrifft, so brauchte nach ihnen jemand, um als Eigentümer einer ihm zusagenden Strecke Landes zu gelten, dasselbe nur dadurch als das seinige zu bezeichnen, daß er mit der Axt einige Bäume anhieb, eine Hütte baute und etwas Getreide säete. Was die Indianer, die Herren dieser Ländereien, dazu sagten, darnach wurde nicht gefragt!
Die drei Weißen ritten, als sie das Thal verlassen hatten, eine ganze Weile schweigend nebeneinander durch den lichten Wald. Der Oelprinz fühlte recht wohl, daß er von dem Häuptling der Nijoras weit mehr als von dem Kurier blamiert worden war. Er war wütend über die Behandlung, welche er erfahren hatte, und sann nun darüber nach, wie es ihm gelingen könne, sein bei dem Bankier und dem Buchhalter wohl mehr als wankend gewordenes Ansehen wieder zu befestigen. Dann sagte er, die lange Stille endlich unterbrechend:
»So sind diese roten Halunken! Undankbar im höchsten Grade! Man kann noch so lange in Frieden mit ihnen gelebt und ihnen noch so viele und große Wohlthaten erwiesen haben, eines schönen Tages brechen sie doch die Treue und haben vollständig vergessen, welchen Dank sie einem schuldig sind.«
»Yes,« nickte Rollins. »Das war eine böse Lage, in welcher wir uns befanden. Wir können froh sein, daß wir so mit einem blauen Auge aus derselben entkommen sind. Ich dachte bereits, daß es uns an das Leben gehen würde.«
»Freilich wäre es uns an das Leben gegangen, wenn der Häuptling mir nicht im stillen recht gegeben hätte, weil er doch unbedingt einsehen mußte, daß ich sein Retter war. Es wird mir aber niemals wieder einfallen, einem Indianer Gutes zu erweisen.«
»Richtig! Diese roten Kerls sind es nicht wert, daß man sich ihrer annimmt.«
Aus diesen Worten des Bankiers war zu ersehen, daß er weniger geneigt war, den Oelprinzen wegen seines Verhaltens zu verurteilen. Er gehörte zu jenen echten Yankees, denen ein Menschenleben nichts gilt. Die Gefahr, in
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