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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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glitten, elegant ihre Silberplatten präsentierten und unauffällig Gläser nachschenkten, die ihnen lässig hingehalten wurden. Das Personal war fast hypnotisch in seinen Bewegungen; es war besser geschult als Sartos eigene Dienerschaft.
    »Wo hat sie nur das Gesinde her?«, murmelte er, als ein Mann mit Stentorstimme ihre Ankunft meldete. Lady Pamela Anseratte, die Sarto seit Jahrzehnten kannte und sich von ihm nicht einschüchtern ließ, kam lachend und mit wirbelnden Röcken auf ihn zu. »Oh, diese Thrace-Guiles ist mit allen Wassern gewaschen«, sagte sie und legte Sarto die Hand im Spitzenhandschuh auf den Arm. »Sie hat die Akrobaten des Spyre-Zirkus zum Servieren der Getränke eingestellt! Wie ich höre, haben sie mit verbundenen Augen geprobt.«
    Als Sarto sich umsah, stand tatsächlich eine junge Frau mit dem festen, muskulösen Körper einer Tänzerin neben ihm und hielt ihm ein Glas entgegen. »Champagner?« Er griff automatisch zu, und sie verschwand lautlos in der Menge.
    »Wir müssen der Dame wohl zugestehen, dass sie in Haushaltsdingen ein Genie ist«, brummte er. »Aber du lässt dich davon doch wohl nicht täuschen, Pamela? Sie ist eine Hochstaplerin!«

    »Das mag schon sein«, räumte die Angesprochene ein und bewegte kokett ihren Fächer. »Aber deine Hochstaplerin hat Virilio soeben seine Schulden an Buridan erlassen. Mit Zinsen wäre das inzwischen eine Summe, mit der man eine kleine Flotte von Handelsschiffen ausrüsten könnte! Und sie hat sie einfach gestrichen! Da, sieh nur! Dort unter der Hengststatue steht August Virilio höchstpersönlich und ist auf dem besten Weg, sich vor lauter Glück um den Verstand zu trinken.«
    Sarto riss die Augen auf. Der Kalksteinhengst hinter Virilio schien das kleine Gefolge, vor dem der Adelige soeben eine Rede hielt, höhnisch anzugrinsen. Virilio hatte wie die meisten anderen Vertreter des Rates demonstrativ auf eine Maske verzichtet. Ansonsten drängten sich jedoch nur maskierte Gestalten im Raum - einige sofort zu erkennen, andere selbst für Sartos geschultes Auge nicht zu identifizieren. »Wer sind all die Leute?«, fragte er laut.
    »Offenbar Schuldner«, antwortete Lady Pamela mit Behagen. »Und Gläubiger … jeder, der sich in den letzten zweihundert Jahren um die Geschäfte der Buridans gekümmert oder von ihrer Abwesenheit profitiert hat. Sie sehen alle sehr … zufrieden aus, findest du nicht, Jacoby?«
    Ennersin räusperte sich und beugte sich vor: »Die Thrace-Guiles hat ganz offensichtlich ihre Hausaufgaben gemacht.«
    Sarto war unwillkürlich beeindruckt. Die Frau enttäuschte unentwegt seine Erwartungen. War es möglich, dass das so bleiben würde? Der Gedanke überraschte ihn - und in Jacoby Sartos Leben hatte es schon sehr lange keine Überraschungen mehr gegeben.

    Er gestattete sich nicht, solche Überlegungen weiterzuverfolgen; schließlich hatte er seine Anweisungen. Er schleuderte sein Champagnerglas zu Boden. Etliche Köpfe drehten sich nach ihm um. »Mag sie ihr kleines Fest genießen«, sagte er mit Grabesstimme. »Amandera Thrace-Guiles, oder wie sie auch heißen mag, hat noch etwa eine Stunde in Freiheit vor sich.
    Und höchstens noch einen Tag zu leben.«
     
    Venera schritt grüßend und lächelnd durch die Menge. Sie war unsicher auf den Beinen und fühlte sich verletzlich. Obwohl ihre Kopfschmerzen endlich abgeflaut waren, musste sie sich beherrschen, um nicht vor grellem Licht und lauten Geräuschen zurückzuzucken. Sie hatte das grässliche Gefühl, rettungslos unvorbereitet zu sein, und hatte zum Ausgleich besonders auffallende Kleidung gewählt. In Spyre trug man meist dunkle Farben, deshalb hatte sie sich für Rot entschieden - ihr blutrotes Mieder war aus glänzendem Stoff mit scharlachroten Stickereien, und darüber trug sie eine offene Jacke mit überbreiten Schultern. Außerdem hatte sie ein Kollier aus dem Anetene-Schatz angelegt. Ihre Haut regenerierte sich allmählich nach dem Sonnenbrand, den sie sich vor Candesce geholt hatte, aber die Kontraste waren immer noch sehr deutlich. Um die Narbe an ihrem Kinn zu verbergen, hatte sie eines der sonderbaren Käppchen gewählt, die hier üblich waren. Ihr Exemplar bestand aus schwarzen Federn. Es ließ die Ohren frei und endete in der Stirnmitte in einer Spitze. Darunter prangte ein roter Edelstein aus Anetene-Beständen über ihren stark nachgezogenen Augenbrauen - aber zwei schmale Flügel liefen auch an der
Kieferlinie entlang. Das kitzelte zwar am Kinn, aber das

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