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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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sie sich wieder den Faddestes zuwandte, huschten die bereits wie ein verängstigter, aber zu allem entschlossener Krähenschwarm über den Tanzboden.
    Sie ließ den Atem ausströmen. Noch sieben oder acht weitere kleine Nationen waren zu bestechen, und ihr blieb
keine Zeit mehr. Alle Mitglieder des Rates von Spyre waren inzwischen eingetroffen, einige drängten sich in Grüppchen zusammen und tuschelten und deuteten auf sie. So oder so, die Entscheidung würde bald fallen.
    Bevor sie ihr nächstes Ziel anpeilen konnte, trat ein Haushofmeister in der Livree des Rates von Spyre an sie heran und verneigte sich. »Sie werden oben erwartet, gnädige Frau«, sagte er kühl.
    Sie verneigte sich ihrerseits, hielt aber den Blick fest auf seinen Scheitel gerichtet. Sie war überzeugt davon, dass alle Augen auf ihr ruhten. Das war der Moment der Entscheidung.
    Als sie mit klappernden Absätzen die Marmortreppe hinaufstieg, versuchte sie sich die Manöver und Spielzüge ins Gedächtnis zu rufen, die sie sich im Laufe des vergangenen Tages mühsam eingeprägt hatte. Die Zeit hatte nicht ausgereicht, und die Nachwehen der Migräne hatten es nicht leichter gemacht. Sie war nicht genügend vorbereitet; es gab nur sie selbst, die wandernden Laternen, die drohenden Schatten über sich und das eine Lichtquadrat, das aus einer Doppeltür im oberen Stockwerk fiel. Sie beschwor sich, langsam zu gehen, ihre Atmung zu kontrollieren und bis zehn zu zählen - aber schließlich stieß sie nur einen Fluch aus, schritt über den neu verlegten roten Teppich, wendete auf dem Absatz und betrat den Raum.
    Bei ihrem Anblick verzog sich Jacoby Sartos Löwengesicht zu einem süffisanten Lächeln. Er schob gerade den letzten Stuhl an den langen Konferenztisch, der in dem kleinen Empfangsraum mit der hohen Decke stand. Zur Hölle mit ihm, er hatte alles umgeräumt! Wo Venera einen langen Tisch mit Stühlen an zwei Seiten
vorgesehen hatte und selbst am Ende sitzen wollte, hatte Sarto den Tisch um neunzig Grad gedreht, alle Stühle auf der (von ihr aus gesehen) hinteren Seite zusammengeschoben und lediglich einen einsamen Stuhl in der Mitte des Teppichs stehen gelassen. So war aus dem Konferenzraum ein Gerichtssaal geworden, und sie war die Angeklagte.
    Der Rest des Rates stand hinter Sarto, während die Diener die neue Anordnung vervollständigten.
    Sie spürte einen schier überwältigenden Drang, sich einen Stuhl hinter dem Tisch auszusuchen, die Füße hochzulegen, auf den einzelnen Sessel zu deuten und zu fragen: »Wer sitzt denn dort?« Nur die Erinnerung daran, wie schlecht ihr ihre letzten Ausbrüche bekommen waren, hielt sie davon ab.
    Diese Runde hatte er gewonnen, aber sie würde nicht zulassen, dass er seinen Triumph auskostete. Sie hielt einen der Diener an und sagte: »Bringen Sie mir einen Beistelltisch, eine Flasche Wein und ein Glas. Etwas Käse wäre auch nicht schlecht.« Dann setzte sie sich artig auf den einzelnen Stuhl und ordnete ihre Röcke, wie sie es bei den anderen Damen gesehen hatte. Schließlich richtete sie den Blick auf Sarto und lächelte.
    Die anderen nahmen ihre Plätze ein. Es waren zwölf an der Zahl. Jacoby Sarto von Sacrus, Gerüchten zufolge nur der Botenjunge für die wahren Oberhäupter der Familie, saß ganz links. Der erzkonservative Herzog Ennersin, der Wert darauf gelegt hatte, zusammen mit Sarto zu kommen, setzte sich neben ihn und sah Venera missbilligend an. Diese beiden würden sich ihrer Legitimierung widersetzen, so viel stand fest. Die anderen …

    Pamela Anseratte lächelte unbestimmt, wich aber Veneras Blick aus. Principe Guinevera dagegen suchte ihn geradezu, offenbar in der Absicht, ihr zuzuzwinkern; er brauchte zwei Stühle für sich allein und hatte die fleischigen Hände auf die Tischplatte gelegt, als wollte er jeden Moment aufspringen und eine Ankündigung machen. Neben ihm saß August Virilio, er wirkte zufrieden, ja schläfrig - was nach den Unmengen Alkohol, die er in sich hineingegossen hatte, nachdem sie seiner Nation die Schulden erlassen hatte, wohl auch der Fall war. Diese drei waren auf ihrer Seite - das hoffte sie jedenfalls.
    Die anderen großen Familien wurden von unbedeutenden Mitgliedern und in drei Fällen von Botschaftern vertreten. Zwei der Botschafter waren vermummt und maskiert; ihre Auftraggeber, die Familien Garrat und Oxorn, waren so geheimnisumwittert, zurückgezogen und paranoid, wie es nur die ältesten Sippen Groß-Spyres sein konnten. Niemand wusste, was ihre Nationen

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