Säule Der Welten: Roman
haben einen anderen Stil. Aber Sie treffen keine Entscheidung, ohne sich mit Ihren Stellvertretern zu beraten, nicht wahr? Und die kenne ich nicht. Möglicherweise kennen auch Sie sie nicht wirklich.«
»Sie halten mich für eine Marionette.« Er wirkte betroffen. »Schon von Anfang an … Was also …?«
»Ich schlage vor, den Agenten aufzuscheuchen, falls es ihn gibt.«
Er beugte sich vor, und jetzt war keine Unsicherheit mehr in seinem Blick. »Und wie?«
Sie lächelte. »Das, Bryce, ist der Punkt, wo Ihre und meine Interessen sich treffen.«
»Ich spreche nur mit Moss«, sagte die Silhouette. Sie war wie aus dem Nichts auf dem Rand von Liris’ Dach erschienen und hatte die Nachtwache zu Tode erschreckt. Als der Soldat nach seinem Gewehr tastete, das er schon lange nicht mehr benützt hatte, kam die Gestalt leichtfüßig auf ihn zu. Ihr Schritt kam ihm irgendwie bekannt vor. »Es ist dringend, Mann!«
»Bürgerin Fanning! Ich … äh … ja, ich muss nur Meldung machen.« Er rannte hinüber zum Sprechrohr und zog an der Klingelschnur, die daneben hing. »Sie ist wieder da - sie will den Botaniker sprechen«, sagte er. Dann drehte er sich zu Venera um. »Wie sind Sie hier heraufgekommen?«
»Greifhaken, Seil …« Sie zuckte die Achseln. »Nicht weiter schwierig. Das sollten Sie sich merken. Sacrus könnte immer noch nachtragend sein.«
Rufe und Schritte schallten durch den offenen Schacht des zentralen Innenhofs. »Sagen Sie ihnen, sie sollen leise sein!«, zischte sie. »Sie wecken noch das ganze Gebäude auf.«
Der Soldat nickte und sprach noch einmal in das Rohr. Venera trat an den Rand und schaute hinunter in den dicht mit Bäumen bestandenen Hof. Da unten eilten Laternen hin und her. Endlich öffnete sich knarrend die eisenbeschlagene Dachklappe, und jemand winkte ihr.
Moss erwartete sie auf einer Galerie im dritten Stockwerk. Er trug ein weites violettes Nachthemd, und sein Haar war zerwühlt. Die verzweifelten Augen blinzelten unsicher in den Schein der Laterne. »W-was hat das zu b-bedeuten?«
»Es tut mir leid, dich mitten in der Nacht aus dem Bett zu holen«, sagte sie und musterte das unmögliche Kleidungsstück. Was geben wir nur für ein Paar ab, ging es ihr mit Blick auf ihren zweckmäßigen schwarzen Anzug, das Schwert und die Pistolen an ihrem Gürtel durch den Kopf. »Ich muss dringend etwas mit dir besprechen.«
Er kniff die Augen zusammen, dann wandte er sich an den Wächter und die Soldaten, die sie herunterbegleitet hatten. »L-lasst uns allein, ich k-k-komme z-zurecht.« Er verneigte sich kurz, drehte sich um und führte sie zu seinem Zimmer.
»Du hättest auch Margits Räume übernehmen können«, bemerkte Venera angesichts der winzig kleinen,
unaufgeräumten Kammer, die nur ein Bett, ein Schreibpult und einen Schrank enthielt. »Es wäre dein gutes Recht. Immerhin bist du der Botaniker.«
Moss wies ihr den einzigen Holzstuhl zu; er selbst ließ sich auf das Bett fallen und rang sich sein verzerrtes Lächeln ab. »W-wer sagt denn, dass ich das n-nicht n-noch t-tue?«, fragte er. »Ich w-will n-nur erst den G-Geruch r-rauskriegen.«
Venera lachte und zuckte zusammen, als die Schmerzen wie glühende Pfeile durch ihren Kiefer und ihren Kopf jagten. »Gut gekontert«, stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Es gab doch hoffentlich keine Probleme seit meinem Weggang?« Er zuckte die Achseln. »Und wie geht es Liris? Habt ihr neue Geschäfte abgeschlossen?«
»W-was w-willst du?«
Venera war müde und hatte Schmerzen, sie wäre nur zu gern sofort zur Sache gekommen. Aber: »Zuerst muss ich dich etwas fragen«, sagte sie. »Weißt du, wer ich bin?«
»N-natürlich. Du bist V-Venera F-Fanning von …«
»Oh, das stimmt nicht … Jedenfalls nicht mehr.« Sie schnitt eine Grimasse, als er sie ärgerlich ansah. »Ich habe einen neuen Namen, Moss. Hast du schon einmal von Amandera Thrace-Guiles gehört?«
Seine Reaktion war von einer Perfektion, die komisch wirkte. Er riss Mund und Augen weit auf und starrte sie gut fünf Sekunden lang an. Dann blökte er sein gequältes Lachen. »Odess hatte also doch R-Recht! Und ich d-dachte schon, er v-verwechselt j-jedes neue G-Gesicht m-mit j-jemandem, den er k-kennt.« Er lachte wieder.
Venera betrachtete ungerührt ihre Fingernägel. »Freut mich, dass du dich so gut amüsierst«, sagte sie. »Aber meine Abenteuer sind heutzutage nicht unbedingt einmalig.«
Das Grinsen erlosch. »W-wie m-meinst du das?«
»Du bist
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