SÄURE
Moriarty glaubte entdeckt zu haben. Wagner hat Psychologie in Harvard studiert, als die Gabneys noch dort waren. Sie ist wahrscheinlich mit ihnen auf irgendeine Art in Berührung gekommen. Kathy Moriarty interessierte sich für alle drei. Und alle drei kannten Gina.«
»Als du Wagner getroffen hast, ist dir da irgend etwas an ihr sonderbar vorgekommen?«
»Nein«, sagte ich. »Nicht, daß ich sie analysiert hätte, es war nur ein Gespräch von zehn Minuten Dauer, das jetzt elf Jahre her ist.«
»Also hast du keinen Grund, ihre ethische Einstellung in Frage zu stellen?«
»Überhaupt keinen. Wieso?«
»Ich frage mich nur«, sagte er, »wenn ihre ethische Einstellung in Ordnung war, dann hat sie doch mit niemandem über Gina persönlich gesprochen, oder? Auch nicht mit einem anderen Arzt?«
»Das ist wahr.«
»Wie können die Gabneys also von ihr etwas über Gina erfahren haben?«
»Vielleicht haben sie das nicht - nicht über Gina persönlich. Aber nachdem Wagner gehört hatte, daß die Gabneys sich auf die Behandlung von Phobien spezialisiert hatten, hat sie vielleicht in allgemeiner Form über Ginas Fall gesprochen. So ein Kollegengespräch wäre nicht unethisch.«
»Reiche Phobikerin«, betonte Milo.
»Die wie eine Prinzessin in einem Schloß lebt«, setzte ich den Satz fort. »Wagner hat sich so ausgedrückt. Sie war von Ginas Reichtum beeindruckt. Vielleicht hat sie das den Gabneys gegenüber erwähnt. Und als es Zeit wurde, daß die Gabneys sich ein neues Jagdgefilde suchten, erinnerten sie sich ihrer Worte und machten sich nach San Labrador auf. Und kamen durch Melissas Anruf mit Gina in Kontakt.«
»Zufall?«
»Es ist eigentlich ein Dorf, Milo. Aber ich verstehe immer noch nicht, weshalb Kathy Moriarty den Ausschnitt über Wagners Selbstmord in ihrer Mappe aufbewahrt hat.«
»Vielleicht war Wagner eine von Moriartys Quellen, über das Ding, das die Gabneys gedreht hatten.«
»Und vielleicht ist Wagner deshalb gestorben.«
»Wow, das ist ein großer Sprung«, sagte er, »aber ich sag’ dir was: Wenn ich zurückkomme, können wir der Sache nachgehen. Wir sagen Suzy, daß sie die Geschichte überprüfen soll, - die hat ja enorm was drauf! Wenn die Gabneys Gina ausgeplündert haben, wird sie das bestimmt herauskriegen. Mit dem Cassatt kann sie anfangen. Wenn der Eigentumswechsel nicht legal war, wird sie sich auf sie stürzen wie ein Bluthund auf Hämoglobin.«
»Wenn du von wo zurückkommst?« fragte ich.
»Aus Sacramento. Suzy hat mir einen Auftrag dorthin gegeben. Scheint so, als ob Rechtsanwalt Douse vor kurzem irgendwelchen Ärger mit der Anwaltskammer gehabt hat, aber die wollen nicht am Telefon darüber reden, und selbst wenn ich persönlich erscheine, verlangen sie einen ordentlichen Nachweis, daß ich in dieser Sache eine Auskunft brauche. Ich fliege um zehn nach sechs Uhr von Burbank ab. Sie läßt mir die Papiere morgen früh rüberfaxen. Ich habe um eins eine Verabredung mit einigen Banken und bin um halb vier bei der Anwaltskammer angemeldet. Danach, hat sie versichert, ständen noch weitere Punkte auf dem Terminkalender.«
»Volles Programm.«
»Die Dame mag es nicht, wenn man untätig ist. Sonst noch was?«
»Ja«, sagte ich. »Hat Bethel mitgehört, was Chickering Ramp über McCloskey erzählt hat?«
»Sie war im Raum und hat Kaffee eingeschenkt. Warum?«
Ich berichtete ihm von der Flucht der Kellnerin. »Wahrscheinlich haben ihre Nerven einfach nicht mehr mitgespielt, Milo. Ich habe einen Augenblick darauf mit Noel gesprochen, und er sagte, sie stehe unter Streß, mache sich Sorgen um ihren Job. Vielleicht konnte sie es nicht mehr länger aushalten, als sie von noch einem Toten hörte. Aber ich glaube, sie hat ganz speziell auf die Tatsache reagiert, daß es McCloskey erwischt hatte. Ich glaube nämlich, daß McCloskey Noels Vater war.« Der Ausdruck der Überraschung auf seinem Gesicht freute mich riesig. Ich kam mir wie ein Kind vor, das seinen Daddy endlich beim Schachspiel besiegt hatte.
»Da wir gerade von Sprüngen reden«, sagte er, »wo hast du denn das her?«
»Vom Zittern meiner Antenne. Ich hab’s endlich herausgetüftelt. Es hat nichts mit Noels Verhalten zu tun, sondern mit seinem Aussehen. Es ist mir erst vor ein paar Minuten ein Licht aufgegangen. Er hat sich über seine Mutter aufgeregt, ließ den Kopf hängen und machte ein deprimiertes Gesicht, das genauso wie das Gesicht McCloskeys auf dem Polizeiphoto nach seiner Festnahme aussah. Die Ähnlichkeit,
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