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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sobald sie dir erst einmal auffällt, ist wirklich verblüffend. Noel ist klein, dunkelhaarig, hübsch, - beinahe schön. McCloskey hat einmal ganz genauso gut ausgesehen.«
    »Hat einmal«, sagte Milo.
    »Genau! Jemand, der ihn nicht aus der damaligen Zeit kannte, hätte das nie bemerkt.«
    »Aus der damaligen Zeit«, sagte er und ging zurück ins Restaurant.
    »Komm schon, Don.« Milo faßte Ramp mit einem Finger unter das Kinn.
    Ramp starrte ihn aus trüben Augen an.
    »Okay«, sagte Milo, »ich kenne das, Don. Ich weiß also, daß die Worte wie Nierensteine sind, die man rausholen will. Du brauchst gar nichts zu sagen, brauchst nur zu blinzeln. Einmal blinzeln heißt ja, zweimal blinzeln nein. Ist Noel Drucker das Kind von McCloskey oder nicht?«
    Nichts. Dann formten die trockenen Lippen das Wort ›ja‹, und ein zischendes Flüstern folgte.
    »Weiß Noel es?« fragte ich.
    Ramp schüttelte den Kopf und näherte ihn wieder dem Tisch. Furunkel hatten sich in seinem Nacken gebildet, und er roch wie ein Bärenkäfig im Zoo.
    Milo sagte: »Noel und Joel. Bethel hatte wohl eine Schwäche für lustige Reime oder was?«
    Ramp sah hoch, seine Gesichtshaut hatte die Form und Farbe alten Vanillepuddings angenommen, und sein Schnauzbart war von Schuppen übersät. Er sagte: »Noel weil - sie konnte nicht.« Er schüttelte den Kopf, der sofort wieder herabsackte.
    Milo hob ihn mit der Fingerspitze an. »Weil sie was nicht konnte, Don?«
    Ramp starrte ihn mit feuchten Augen an. »Sie kann nicht -Sie kannte Joel - wie das Wort - aussah - also Noel - drei Buchstaben gleich - erinnerte sich.« Er betrachtete die Bourbonflasche, seufzte, schloß die Augen.
    Ich fragte: »Sie konnte nicht lesen? Sie hat ihn Noel genannt, weil es wie Joel aussah, und sie wollte etwas, das sie sich vorstellen konnte?«
    Nicken.
    »Ist sie immer noch Analphabetin?«
    Schwaches Nicken. »Hat - versucht. Sie konnte nicht…«
    »Wie hat sie denn ihren Job verrichtet?« fragte ich, »Bestellungen aufgenommen, Rechnungen geschrieben?«
    Unverständliche Laute von Ramp.
    Milo sagte: »Kommen Sie, verdammt, hören Sie auf zu flennen!«
    Ramp hob den Kopf etwas an. »Gedächtnis, sie wußte alles - die ganze Speisekarte - auswendig. Wenn es - Spezialitäten gab, hat sie - haben wir geübt.«
    »Und die Rechnung?«
    »Ich…«, er sah erschöpft aus.
    »Sie haben sie geschrieben. Sie haben sich um sie gekümmert«, sagte ich. »Genau wie damals im Studio. Was war sie, ein Mädchen vom Lande, das hierher in den Westen herausgekommen war, um ein Star zu werden?«
    »Appalachen«, sagte er. »Hill…billy.«
    »Armes Mädchen aus dem Busch«, sagte ich. »Sie wußten, daß sie es nie beim Film schaffen würde, da sie nicht lesen konnte, schon gar nicht. Haben Sie ihr eine Zeitlang geholfen, ihr Geheimnis zu bewahren?«
    Nicken. »Joel…«
    »Joel hat sie verraten?«
    Er nickte, rülpste und ließ den Kopf herunterbaumeln, »Photos für ihn.«
    »Er hat dafür gesorgt, daß sie ihren Vertrag beim Studio verlor und hat sie dann als Modell angeheuert?«
    Nicken.
    Milo fragte: »Wie ist sie denn zu einem Führerschein gekommen?«
    »Schriftliche Prüfung - alle Fragen auswendig gelernt.«
    »Muß sie viel Zeit gekostet haben.«
    Ramp nickte und wischte sich die Nase mit dem Handrücken ab. Er ließ den Kopf wieder auf den Tisch herabsinken. Diesmal ließ Milo ihn dort.
    »Hat sie den Kontakt mit McCloskey die ganzen Jahre aufrechterhalten?« fragte ich.
    Ramps Kopf schoß mit erstaunlicher Geschwindigkeit hoch. »Nein - sie haßte ihn - wollte sie nicht.«
    »Was wollte sie nicht?«
    »Das Baby, Noel -« Gesichtszucken, »hat es geliebt, aber…«
    »Aber was, Don?« Flehentlicher Blick. »Was, Don?«
    »Vergewaltigt.«
    »McCloskey hat sie geschwängert, indem er sie vergewaltigt hat?«
    Nicken. »Die ganze Zeit.«
    »Die ganze Zeit was, Don?«
    »Vergewaltigt.«
    »Er hat sie die ganze Zeit vergewaltigt?« Nicken.
    »Warum haben Sie sie nicht davor geschützt?« fragte Milo.
    Ramp fing an zu schluchzen. Die Tränen landeten in seinem Schnauzbart und hingen wie Perlen an den fettigen Haaren. Er versuchte etwas zu sagen, würgte.
    Milo legte den Finger unter Ramps Kinn und nahm eine Serviette, um das Gesicht des weinenden Mannes abzutupfen. »Was, Don?« fragte er ihn sanft.
    »Alle«, sagte Ramp, seine Tränen flossen.
    »Alle haben sie vergewaligt?«
    Schluchzen, Schlucken. »Alle haben sie gehabt - sie ist nicht…«, er mühte sich, die Hand hochzuheben,

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