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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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befand sich auf einem Stück wüst zugerichtetem Asphalt, zwischen einem Schnapsgeschäft und einem Laden, der Fürsorgecoupons annahm. Obdachlose und andere Mittellose lungerten herum und schnorrten. Ein paar von ihnen beobachteten uns hoffnungsvoll, als wir unser Essen vom Tresen holten und uns auf unsere Plastikstühle setzten. Milo hielt sie sich mit seinem Polizistenblick vom Leib.
    Wir aßen und blickten uns dabei argwöhnisch um. Er fragte: »Ist dir das hier einfach genug?« Bevor ich antworten konnte, war er aufgestanden und ging an den Tresen, die eine Hand in der Tasche. Ein schmutziger, abgemagerter Mann in meinem Alter mit einem verfilzten Bart ergriff die Gelegenheit und näherte sich mir grinsend. Er ließ seine zahnlosen Kiefer unzusammenhängend aufeinander klappern, während er aufs Geratewohl mit einem Armstummel in der Luft herumfuhr, den anderen Arm, der steif und krumm wie ein Hühnerflügel aussah, hielt er eng an den Körper gepreßt.
    Ich hielt ihm einen Dollarschein hin. Der bewegliche Arm schnappte ihn mit der Präzision eines Krebses weg. Er war schon fort, als Milo mit einem Pappkarton zurückkam, der mit kleinen, gelben Päckchen gefüllt war. Aber Milo hatte es gesehen und knurrte, als er Platz nahm. »Wozu hast du das denn gemacht?«
    »Der Typ war hirnverletzt«, sagte ich.
    »Oder er tat so.«
    »Wie auch immer, er muß in einer schlimmen Lage sein, meinst du nicht?«
    Er schüttelte den Kopf, wickelte einen Taco aus und biß hinein. Nachdem er ihn hinuntergeschlungen hatte, sagte er: »Alle sind verzweifelt, Alex. Mach’ nur so weiter, und sie sitzen bald wie Pilze auf dir.«
    So hätte er vor drei Monaten noch nicht geredet. Ich schaute mich um, sah wie das übrige Straßenvolk ihn anstarrte und sagte: »Darüber würde ich mir keine Sorgen machen.«
    Er zeigte auf die eingewickelten Tacos. »Na los, die sind alle für dich.«
    Ich sagte: »Vielleicht etwas später« und trank Cola, die bereits schal geworden war. Dann stellte ich ihm eine Frage: »Wenn du Informationen über einen alten Knacki haben willst, wie würdest du das anstellen?«
    »Was für Informationen?« fragte er, den Mund voller Schweinefleisch.
    »Wie der Knabe sich im Knast aufgeführt hat, was er jetzt gerade ausbaldowert.«
    »Ist dieser Knacki auf Bewährung draußen?«
    »Seine Bewährungszeit ist schon um. Er ist frei und sein eigener Herr.«
    »Ein Musterknabe der Bewährungshilfe, hm?«
    »Das ist die große Frage.«
    »Seit wann ist denn dieser Musterknabe schon frei?«
    »Seit einem Jahr oder so.«
    »Weshalb hat er gesessen?«
    »Angriff, Mordversuch, Verschwörung, um einen Mord zu begehen - er hat jemanden dafür bezahlt, jemand anderen zu verletzen.«
    »Dafür bezahlt, hm?« Er wischte sich die Lippen ab.
    »Bezahlt in der Absicht, ernsthaften körperlichen Schaden zuzufügen oder sogar Schlimmeres.«
    »Dann geh mal davon aus, daß er so weitermachen wird, dieser menschliche Abschaum.«
    »Was ist, wenn ich Genaueres wissen will?«
    »Zu welchem Zweck?«
    »Es hat mit einem Patienten zu tun.«
    »Du meinst, es ist vertraulich?«
    »Im Augenblick ja.«
    »Nun«, sagte er, »das ist wirklich keine große Sache. Man folgt einfach der Kette. ›Man‹ bedeutet natürlich Bulle, Zivilisten hätten da kaum eine Chance. Also, die Vergangenheit ist der beste Indikator für die Zukunft, stimmt’s? Das erste Kettenglied ist deshalb das Vorstrafenregister des betreffenden Knaben, siehe zentrales Register oder örtliche Polizei. Du redest mit irgendwelchen Bullen, die ihn aus den schlimmen alten Tagen kannten. Am besten mit denen, die ihn hops genommen haben. Als nächstes siehst du dir das Paket mit den Akten der Staatsanwaltschaft an - da sind die Strafanträge drin, psychologische Gutachten, was auch immer. Schritt Nummer drei ist, du redest mit den Gefängnisbeamten, findest heraus, wie lange der Kerl gesessen hat. Obwohl, die Scheißtypen, die ihn am besten kennen, das sind die, die mit ihm zusammen gebrummt haben. Wenn du einen von denen drankriegen kannst, ziehst du ihn an Land. Dann checkst du den Bewährungshelfer des Kunden. Da die aber immer viele und neue Fälle haben, ist die Chance, aus ihnen etwas Sinnvolles herauszuholen, minimal. Letzter Schritt ist, du spürst irgendwelche von den Bekannten auf, mit denen er sich herumtreibt, seit er wieder draußen ist. Finita! Nichts Tiefschürfendes, alles nur Beinarbeit, und am Ende wirst du nicht viel erfahren haben. Wenn du also einen Patienten hast,

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