SÄURE
weiszumachen, er wäre ein anständiger Kerl, und die hätten sich täuschen lassen. Deshalb haben sie McCloskey freigelassen, und jetzt kann er tun, was er will. Der Bewährungshelfer war ein netter Mensch, stand kurz vor der Pensionierung. Er hieß Bayliss, und er schien wirklich besorgt. Er sagte, es täte ihm leid, aber er könne da nichts tun.«
»Meinte er, daß McCloskey eine Gefahr für Ihre Mutter oder irgend jemanden sonst darstellt?«
»Er sagte, er hätte keine Beweise dafür. Aber bei jemandem wie ihm könne man nie sicher sein.«
»Hat McCloskey versucht, mit Ihrer Mutter Kontakt aufzunehmen?«
»Nein, aber das heißt noch lange nicht, daß er es nicht tun wird! Er ist verrückt - diese Art Verrücktheit verändert sich nicht über Nacht, oder?«
»Normalerweise nicht.«
»Also ist er gefährlich.«
Ich konnte dem nicht widersprechen. Ich sagte: »Ich kann verstehen, daß Sie sich Sorgen machen«, wobei mir der Klang meiner Stimme nicht gefiel.
Sie sagte: »Dr. Delaware, wie kann ich sie allein lassen? Vielleicht ist seine Rückkehr ein Zeichen, daß ich auf keinen Fall weggehen soll. Ich meine, ich kann auch hier eine gute Ausbildung bekommen. Sowohl die Universität von Kalifornien als auch die von Südkalifornien haben mich akzeptiert. Was macht es für einen Unterschied?«
Vor ein paar Minuten hatte sie noch ganz anders geklungen. »Melissa, jemand mit Ihrem Köpfchen kann überall eine gute Ausbildung bekommen. Gibt es außer der Ausbildung noch einen Grund, weshalb Sie nach Harvard wollen?«
»Ich weiß es nicht, vielleicht nur aus Egoismus. Ja, wahrscheinlich deshalb, um mir meine Fähigkeiten selbst zu demonstrieren.«
»Noch einen anderen Grund?«
»Ja, wegen Noel. Er möchte unbedingt, daß ich hingehe, es ist schließlich das beste College in den Vereinigten Staaten, nicht wahr? Ich dachte, warum soll ich mich also dort nicht bewerben? Es war eigentlich eine Art Jux. Ich glaubte wirklich nicht daran, daß sie mich nehmen würden.« Sie schüttelte den Kopf. »Manchmal denke ich, mit lauter Dreien hätte ich es leichter gehabt, ich hätte nicht die Qual der Wahl gehabt.«
»Melissa, jeder in Ihrer Situation - mit Ihrer Mutter - befände sich in einem Konflikt. Und jetzt McCloskey. Aber die bittere Wahrheit ist, selbst wenn er eine Gefahr darstellt, sind Sie nicht in der Lage, Ihre Mutter zu schützen.«
»Was soll ich also tun?« fragte sie wütend. »Einfach aufgeben?«
»Ich meine, mit McCloskey muß man sich definitiv befassen. Das muß ein Profi tun. Der muß herausfinden, weshalb er wieder da ist und was er vorhat. Wenn sich herausstellt, daß er gefährlich ist, gibt es Dinge, die man dagegen unternehmen kann.«
»Was zum Beispiel?«
»Auflagen, Sicherheitsvorkehrungen - ist Ihr Haus gut gesichert?«
»Ich nehme es an. Alarmanlage und ein Sicherheitstor sind vorhanden, und die regelmäßige Polizeistreife, es gibt so wenig Verbrechen in San Labrador, daß wir praktisch nur die private Polizei haben. Sollten wir mehr unternehmen?«
»Haben Sie Ihrer Mutter von McCloskey erzählt?«
»Nein, natürlich nicht! Ich wollte nicht, daß sie durchdreht, nicht nachdem sich ihr Zustand jetzt so sehr gebessert hat.«
»Was ist mit Ihrem Mr. Ramp?«
»Nein, auch er weiß es nicht, niemand weiß es; es fragt mich sowieso niemand nach meiner Meinung, und ich dränge sie niemandem auf.«
»Haben Sie es Noel erzählt?«
Sie warf mir einen unglücklichen Blick zu. »Ja, er weiß es.«
»Was sagt er?«
»Ich soll es einfach vergessen. Aber für ihn ist das leicht gesagt - es ist nicht seine Mutter. Sie haben nicht auf meine Frage geantwortet, Dr. Delaware, gibt es noch etwas, das wir tun sollten?«
»Ich kann das nicht beurteilen. Das müssen Profis entscheiden - Leute, die sich auf solche Dinge verstehen.«
»Wo finde ich die?«
»Lassen Sie mich mal sehen«, sagte ich. »Da kann ich Ihnen vielleicht helfen.«
»Haben Sie Verbindungen zum Gericht?«
»Etwas Ähnliches. Lassen Sie uns doch bis dahin wie besprochen vorgehen: Ich werde mich mit den Gabneys in Verbindung setzen und sehen, ob es ihnen recht ist, wenn ich mit Ihrer Mutter spreche. Wenn ja, lasse ich es Sie wissen, und Sie können einen Termin für mich vereinbaren, an dem ich bei Ihnen vorbeikomme. Wenn nicht, dann überlegen wir uns einen anderen Weg. Auf jeden Fall sollten wir, Sie und ich, uns noch mal unterhalten. Wollen Sie einen Termin festmachen?«
»Wie wäre es morgen?« fragte sie. »Die gleiche Zeit,
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