Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
Lebensgeschichte.
»Was machst du denn hier?«, wollte ich nun wissen.
»Ich bin mit der deutschen Marine vor Ort stationiert«, erzählte der Hamburger. »Wir schützen die Handelsschiffe in den Gewässern von Somalia vor Piratenangriffen. Ab und an fangen wir sogar ein paar Seeräuber.«
»Das muss ja ein gefährlicher Job sein«, stellte ich ernst fest.
»Nicht gefährlicher als deiner«, antwortete Jochen.
Wie sich herausstellte, wohnte der deutsche Marinesoldat in demselben Hotel wie wir.
»Ich bin schon spät dran, ich erwarte heute Abend Gäste. Lass uns doch zusammen zurücklaufen«, forderte ich ihn auf und sprintete davon.
»Na, dann mal los!«, rief er lachend und holte mich nach nur wenigen Metern ein.
Es war schön, neben jemandem zu laufen, der so gut in Form war. Vielleicht ist es auch schön, neben einem Mann zu laufen, der ganz offensichtlich Gefallen an mir findet, überlegte ich, als wir im Gleichschritt die Küste entlangtrabten.
Immer wieder waren in der Vergangenheit Männer in mein Leben getreten, die mich faszinierten. Mit denen ich lachen, über vieles sprechen, ja, denen ich mich sogar hingeben konnte. Meine beiden Söhne waren zum Glück Kinder der Liebe und Leidenschaft. Dennoch war ich für eine konventionelle Partnerschaft nicht geschaffen. Je enger die jeweilige Bindung wurde, desto stärker wurde mein Gefühl einer gewissen Beklemmung und Atemlosigkeit. Nie konnte ich in Worte fassen, was mich dazu bewegte. Vielleicht war es meine Lebensgeschichte, der unendliche Drang nach Freiheit, der mich seit der Kindheit begleitete. Was auch immer es war, ich lief stets davon. So wie ich auch jetzt dem Gedanken an einen Flirt mit dem attraktiven, jungen Mann einfach davonlief.
»Wie lange bleibst du in Dschibuti?«, wollte Jochen wissen, als wir verschwitzt in der Hotellobby angekommen waren. »Ich würde dich gerne mal zum Abendessen einladen.«
Ohne ihm in die Augen zu sehen, rannte ich zum Lift, dessen Türen sich gerade öffneten. »Wir sehen uns bestimmt noch mal. War nett mit dir!«, rief ich ihm zu und stieg ein.
Jochen blieb völlig verdutzt in der Halle stehen und schürzte die Lippen. Wieder ein Mann, den ich enttäuschen musste.
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8.
Die Einladung
G ehetzt sprang ich aus der Dusche, rubbelte mich trocken und zog meine Lieblingsjeans und ein T-Shirt an. Durch das lange Gespräch mit dem deutschen Marinesoldaten war ich spät dran. Unsere Gäste waren inzwischen im Hotel eingetroffen und warteten unten auf mich.
»Beeil dich«, hatte mich Joanna vor rund zwanzig Minuten über das Zimmertelefon angetrieben. Meine Freundin und Managerin hatte am Nachmittag beschlossen, auch den kleinen Jungen, der im Film meinen Bruder »Alter Mann« gespielt hatte, und dessen Familie zu dem Essen einzuladen. Genau wie Safas Vater hörte auch er auf den Namen Idriss und lebte mit seinem Vater und den drei Schwestern Inab, Hibo und Hamda in Balbala.
Tatsächlich waren sie alle gekommen. Safas Eltern mit dem fünfjährigen Amir und dem zwei Jahre jüngeren Nour, ebenso wie der kleine Idriss mit seinem Vater Abdillahi und seinen hübschen Schwestern. Fardouza, Joanna und Linda hatten bereits an dem riesigen Tisch gleich neben dem jetzt hellblau leuchtenden Swimmingpool zwischen den beiden Familien Platz genommen. Am Kopfende saß die kleine Safa, die mich aufgeregt an ihre Seite winkte, wo sie einen Stuhl für mich freigehalten hatte.
Im Gegensatz zum Vortag war die Stimmung von Beginn an gelöst. Fardouza, Joanna und Linda unterhielten sich angeregt mit dem Vater und den Schwestern des kleinen Idriss, der genau wie Safa im Rahmen des Castings in Dschibuti für die Filmrolle ausgesucht worden war. Neben mir berichtete Safa ihren Eltern, Brüdern und ihrem Filmkollegen aufgeregt von ihren Erlebnissen der letzten achtundvierzig Stunden. Ob es Zufall war oder Safas diplomatisches Geschick – dass die Kleine unseren Besuch bei Dr. Acina nicht erwähnte, beruhigte mich sehr. Das Thema hätte die Stimmung bestimmt schnell wieder ins Wanken gebracht.
Ein riesiges, wunderschön drapiertes Buffet war auf fünf Tischen angerichtet worden, die sich förmlich unter den Speisen bogen. Ich freute mich, dass meine Gäste sich heute daran satt essen konnten. Amir und Nour starrten fassungslos auf die bunt garnierten Speisen. Auch die beiden kleineren von Idriss’ jüngeren Schwestern wagten zunächst nicht zuzugreifen und versteckten sich hinter ihrer großen, hübschen Schwester Inab. Sie war
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