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Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume

Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume

Titel: Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waris Dirie
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meiner Lieblingspatientin«, antwortete die Medizinerin und richtete einen liebevollen Blick auf die Kleine.
    Die schob sich gerade die Ohrenbügel eines Stethoskops, das sie auf dem Beistelltisch neben der weißen Arztliege gefunden hatte, in die Ohren und versuchte mit der flachen Membran sich selbst abzuhören.
    »Sie kommt regelmäßig hierher, das kann ich Ihnen vorab bestätigen«, fuhr Dr. Acina fort. »Safa ist ein gesundes, lebhaftes und intelligentes Mädchen. Das ist in Dschibuti keine Selbstverständlichkeit. Es gibt hier leider sehr viele kranke Kinder und nicht genügend Ärzte, um alle zu versorgen. Ich wünschte, ich könnte mehr für die Menschen hier tun«, seufzte sie.
    Da Dr. Acina Einblick in das Leben aller gesellschaftlichen Schichten hatte, fragte ich sie: »Sehen Sie einen Rückgang bei den Zahlen der Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung?«
    Betreten starrte die Kinderärztin auf ihren Schreibtisch. »Es gibt insgesamt weniger Fälle von pharaonischer Beschneidung«, antwortete sie ehrlich. »Dennoch ist die Gesamtsituation nach wie vor sehr trist. Obwohl sich die Regierung wirklich bemüht, gibt es kaum Fortschritte. Trotz verstärkter Aufklärungsmaßnahmen ist dieses Ritual kaum auszurotten.« Sie erklärte mir, dass in Dschibuti zwar ein gesetzliches Verbot von FGM eingeführt worden sei, dass es jedoch nur selten exekutiert werde. »Man kann schlecht neunzig Prozent der Bevölkerung ins Gefängnis werfen«, stellte sie resigniert fest. »Wir haben noch einen langen, schmerzhaften Weg vor uns.«
    Niemand wusste das besser als ich. »Aber Sie als Ärztin müssen doch Einfluss auf die Menschen nehmen und ihnen glaubhaft erklären können, welche fürchterlichen Folgen die Genitalverstümmelung hat«, warf ich ein.
    Safa hatte sich inzwischen auf meinen Schoß gesetzt und hörte uns gebannt zu. Mir war es nur recht, dass sie das Gespräch verfolgte. Auch wenn sie vielleicht nicht alles verstand, es war wichtig, offen und ehrlich mit ihr über dieses Thema zu reden.
    »Waris, Sie können sich nicht vorstellen, welch schlimme Verletzungen ich hier täglich zu sehen bekomme«, erzählte Dr. Acina weiter und sah Safa traurig an. »Kleine Mädchen mit chronischen Entzündungen an Vagina, Blase oder Nieren. Mädchen mit Krebsgeschwüren so groß wie Tennisbälle, die am wuchernden Narbengewebe wachsen. Junge Frauen, die nicht urinieren können, und andere, die durch die Genitalverstümmelung inkontinent geworden sind. Kleinkinder, die vor Schmerzen kein Auge zutun können. Wissen Sie, wie oft ich mit diesen Bildern vor Augen abends nach Hause gehe und nicht einschlafen kann?«
    Ich glaubte der Ärztin jedes Wort. Selbst erfahrene, hartgesottene Mediziner vermochten diese Zustände nachhaltig zu erschüttern.
    »Wir dürfen nicht aufgeben, Emma«, ermutigte ich sie. »Wenn wir nicht dagegen kämpfen, wer tut es dann? Wir brauchen die Unterstützung jedes Einzelnen, und Sie stehen hier an vorderster Front.«
    Als hätte sie wieder Mut geschöpft, nickte Dr. Acina, erhob sich und kam zu mir. Liebevoll hob sie Safa von meinem Schoß und setzte sie auf die Arztliege, die hinter ihr stand.
    »So, junge Dame, jetzt werden wir dich mal von Kopf bis Fuß untersuchen, um zu sehen, ob du immer noch so gesund bist wie beim letzten Mal, als du hier warst«, sagte sie in kindlichem Ton.
    »Hast du Angst?«, fragte ich mein Patenkind besorgt. »Nein, Waris, Emma ist sehr lieb. Außerdem will ich auch Kinderärztin werden, wenn ich groß bin. Dann kann ich allen Kindern in Balbala helfen.«
    Schmunzelnd verließ ich den Behandlungsraum, um draußen mit klopfendem Herzen auf den Befund zu warten.
     
    »Alles in Ordnung!«, sagte die Kinderärztin laut, als sie die Tür öffnete und mir einen beruhigenden Blick zuwarf.
    Safa kam hinterher, lief auf mich zu und sprang mir fröhlich in die Arme. »Ich bin ganz gesund, hat Emma gesagt«, erzählte sie mir stolz.
    Dr. Acina reichte mir die Hand zur Verabschiedung, doch ich drückte sie, mit Safa im Arm, spontan fest an mich. »Ich danke Ihnen von ganzem Herzen. Ich hatte ja solche Angst …«, flüsterte ich der Kinderärztin ins Ohr.
    »Ich weiß, aber zum Glück haben sich Safas Eltern an die Abmachung gehalten«, sagte die Medizinerin.
    Zumindest fürs Erste, dachte ich, während wir unter den Blicken der vielen Mädchen hinausgingen, die höchstwahrscheinlich nicht so viel Glück gehabt hatten wie meine kleine Safa.
    Auf der Straße sog ich die heiße

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