Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
trotzdem finden sie sich nicht einfach damit ab, dass dieses Ritual weiter praktiziert wird. Sie würden sich durchaus für den Kampf gegen FGM vor Ort einsetzen, wenn sie könnten.«
Safa hörte der Achtzehnjährigen interessiert zu, der Mutter meines Patenkindes hingegen war das Gespräch über die Tradition ihres Volkes offenbar zu viel. Wortlos stand sie auf und ging Richtung Pool, um ihren Söhnen beim Spielen zuzusehen. Vermutlich wollte sie nicht mit anhören, dass sich nun auch noch Nachbarskinder für den Kampf gegen die Genitalverstümmelung aussprachen.
Inab ließ sich von Fozias Reaktion jedoch nicht beirren. »Es wäre toll, wenn es auch in Dschibuti ein Büro der Desert Flower Foundation gäbe«, schlug sie motiviert vor.
Joanna und ich zeigten uns von der Idee begeistert, denn wir hatten schon lange geplant, hier eine Zweigstelle zu errichten, an die sich Betroffene wenden konnten.
»Wann fangen wir an?«, fragte Inab voller Tatendrang. »Ich darf doch mitarbeiten, oder? Du weißt selbst, wie viel Arbeit hier noch zu leisten ist. Außer meinen Schwestern und Safa kenne ich kein einziges Mädchen, das nicht beschnitten ist.«
Ich fragte mich, ob ich richtig gehört hatte. Inab hatte gerade bloß von ihren Schwestern und Safa gesprochen – demnach hatte sie selbst vermutlich auch schon der Grausamkeit ins Antlitz geblickt.
Nun mischte sich auch Safa ein. »Ja, das wäre toll, wenn du hier ein Büro hättest, Waris! Dort könnte ich andere Mädchen treffen und ihnen sagen, wie schön es ist, gesund zu sein.«
Unfassbar, wie reif diese Siebenjährige war. Natürlich war es im Sinne der Foundation, einheimische Mädchen in unsere Arbeit einzubinden und so direkt an der Front, also dort, wo täglich etliche Mädchen verstümmelt wurden, für unser Anliegen einzutreten. Doch was würde Safas Vater davon halten, wenn seine Tochter, der er nicht einmal erlauben wollte, in einem Badeanzug schwimmen zu gehen, als Testimonial für die Desert Flower Foundation fungierte? Ganz zu schweigen von seiner Frau, die sich augenscheinlich fest vorgenommen hatte, sich eines Tages über unseren Vertrag hinwegzusetzen.
Doch zu meiner großen Verwunderung holte Safas Vater tief Luft und sagte: »Das Beste wäre, ein Büro direkt in Balbala zu errichten. Ich stelle gerne mein Haus dafür zur Verfügung.«
Ich war sprachlos. Erstaunt spähte ich hinüber zu Joanna, der die Verwunderung ebenfalls ins Gesicht geschrieben stand.
»Wieso gehen wir nicht einfach zu den Leuten und sagen ihnen, dass FGM schlecht ist und dass sie das ihren Töchtern nicht antun dürfen?«, sagte Safa, deren kindliches Gemüt nun wieder durchgebrochen war.
»Das ist eine ganz tolle Idee, meine Süße«, ging ich auf ihre Anregung ein. »Aber wir müssen uns sehr, sehr gut vorbereiten, damit wir auch alle Menschen davon überzeugen können.«
In dem Moment kehrten die drei Jungs in Begleitung von Safas Mutter völlig aufgeweicht und pitschnass vom Swimmingpool zurück an unseren Tisch. Ich entschuldigte mich kurz und ging durch das Hotelrestaurant zu den Toiletten. Plötzlich hörte ich leise Schritte hinter mir. Es war Inab, die mir unauffällig gefolgt war. Staunend betrat sie den eleganten, mit Marmor und riesigen Spiegeln vertäfelten Waschraum, in dem eine kleine, mit rotem Samt überzogene Bank vor einem Schminktisch stand. Andächtig setzte sich Inab und starrte mich an, als läge ihr etwas auf dem Herzen.
»Ist alles okay?«, fragte ich.
»Weißt du, Waris. Auch ich bin beschnitten.« Inab blickte beschämt zu Boden.
Ich setzte mich neben sie und schob ihr mit dem Zeigefinger sanft das Kinn in die Höhe, so dass sie mir wieder in die Augen sehen konnte. »Du weißt, dass das nichts ist, wofür du dich schämen musst«, sagte ich mit fester, ermutigender Stimme. »Du bist ein unglaublich tapferes Mädchen, das dieses scheußliche Ritual zum Glück überlebt hat. So wie ich auch.«
Inabs Augen füllten sich mit Tränen. »Aber du hast es geschafft, hier wegzukommen und etwas aus dir zu machen. Und du kannst vielen anderen Frauen helfen. Ich dagegen bin hier gefangen und machtlos.«
Die Worte der Achtzehnjährigen, die weit jünger aussah, als sie war, berührten mich. »Niemand ist machtlos. Jeder kann etwas bewirken«, sagte ich eindringlich. »Du hast vorhin gesagt, dass du uns helfen möchtest. Dafür bin ich dir sehr, sehr dankbar, und wir werden zusammen einen Weg finden, damit dein Wunsch in Erfüllung geht. Gib mir bloß ein
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