Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
abgetan hätte, war sie im Fall meines Patenkindes sofort alarmiert. Schließlich waren wir uns alle nur zu bewusst, dass sie in ihrer Heimat tagtäglich in Gefahr war, von ihrer Großmutter oder wem auch immer brutal verstümmelt zu werden.
»Ist alles okay mit dir?«, fragte sie deshalb beunruhigt, als Safa aus der Toilette kam – wie immer, ohne die Spülung betätigt zu haben.
Sophie übernahm es für sie und fragte noch einmal: »Bist du okay?«
Unsicher sah das Mädchen zu Boden und sagte beschämt: »Ja.«
Meine Mitarbeiterin war sich nicht sicher, ob sie das glauben durfte. Sie nahm sich vor, Walter in einer ruhigen Minute zu fragen, wann Dr. Acina die Kleine das letzte Mal auf ihre Unversehrtheit untersucht hatte. Immerhin lag mein Besuch in Dschibuti, bei dem die Kinderärztin bestätigt hatte, dass Safa noch nicht beschnitten war, nun bereits einige Monate zurück. Monate, in denen viel hätte passieren können.
Safas Unsicherheit war nun wie weggeblasen, als sie und Inab beim Händewaschen den Sensor entdeckten, der das Wasser zum Laufen brachte.
»Schau mal, wir können zaubern.« Fröhlich fuchtelte sie mit den Händen hin und her, um das Wasser an- und abzudrehen.
»Seht euch das mal an«, staunte Inab und steckte beide Hände, wie es auf einer kleinen Tafel angeschrieben stand, in den elektrischen Händetrockner, der mit lautem Getöse warme Luft ausstieß.
Safa quietschte vergnügt und machte es ihr nach.
Als die drei gemeinsam mit Walter zum Wagen zurückkehrten, stand Idriss neben einem Mülleimer und rauchte eine letzte Zigarette vor der Weiterfahrt. Als Sophies Blick beim Einsteigen auf die offenen Chipstüten, die vielen Krümel, die leeren Wasserflaschen und das Apfelgehäuse auf dem Boden und den Sitzen fiel, sammelte sie den Müll hastig ein und trug ihn zur Tonne.
»Bitte reißt euch ein wenig zusammen«, schimpfte sie ungehalten. »Das ist ein Leihwagen, der nicht uns gehört. So geht man doch nicht mit fremden Sachen um.«
Safa und Inab kletterten wortlos auf ihre Plätze und sahen zu, wie Sophie das Leergut unter den Sitzen hervorklaubte. Als sie eine Orangensaftflasche aufheben wollte, löste sich der Verschluss, und der Inhalt schwappte in hohem Bogen auf Inabs Füße und deren Schuhe.
Die Achtzehnjährige schrie auf. »Hilfe, meine neuen Schuhe!« Sie war so stolz auf die hübschen High Heels gewesen, und nun waren sie ruiniert.
Peinlich berührt zog Sophie ihr die Schuhe aus und leerte den Orangensaft aus, der sich darin verteilt hatte. Sie eilte zur Toilette, um die High Heels zu retten.
Als sie zurückkam, trat sie prompt in eine feuchte Lache.
»Ihhh«, stieß Sophie angeekelt aus und hob die Füße.
Der samtige Boden unter ihren Füßen war durch und durch mit Orangensaft getränkt. Alle grinsten, niemand sagte etwas. Dann beugte sich Safa zu ihr nach vorne.
»Sophie, das ist ein Leihwagen«, äffte die Kleine sie nach. »Man muss auf fremde Sachen schon ein bisschen aufpassen!«
»Da hast du recht, eins zu null für dich«, erwiderte Sophie und wischte die Flüssigkeit rasch auf, damit sie weiterfahren konnten.
Nach knapp drei Stunden erreichten sie München. Als die Reisegruppe das Hotel betrat, musterte der Rezeptionist die drei Afrikaner misstrauisch.
»Die gehören zu Ihnen?«, fragte er Sophie unfreundlich.
Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und das Haus mit dem fremdenfeindlichen Angestellten wieder verlassen. Aber beim Blick in die völlig erschöpften Gesichter von Inab, Safa und ihrem Vater beschloss sie, den Mann einfach zu ignorieren.
»Wir brauchen von jedem Gast eine Anmeldung«, sagte der Rezeptionist und legte fünf Formulare auf den Tresen.
Walter und Sophie begannen sofort die Zettel auszufüllen, während Inab und Idriss nur überfordert auf den Vordruck starrten.
»Hier kommt der Name hin«, erklärte Sophie, die inzwischen wusste, dass Idriss seinen Namen schreiben konnte. »Und dort das Geburtsdatum.«
Doch Idriss wusste nicht auswendig, wann er geboren war. Unter den verächtlichen Blicken des Rezeptionisten zog Sophie den Pass des Afrikaners hervor und schrieb sein Geburtsdatum ab.
»In diese Zeile müssen wir die Straße schreiben, in der du wohnst«, fuhr Sophie geduldig fort.
»Balbala«, sagte Idriss nur knapp.
»Das weiß ich«, erwiderte Sophie. »Aber in welcher Straße wohnt ihr?«
Safas Vater zuckte mit den Schultern.
Walter, der sein Formular inzwischen ausgefüllt hatte, hob den Kopf. »Es gibt in
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