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Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume

Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume

Titel: Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waris Dirie
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meinen Jüngsten, zu Bett gebracht. Der kleine Löwe focht nahezu jeden Abend einen Kampf gegen die Müdigkeit aus. Herumtollen, spielen, lernen – all das war sein Leben. Schlafen hingegen schien ihm eine Qual zu sein. Endlich hatte ich es geschafft, ihn in die Träume zu wiegen, nun konnte ich mich meiner Arbeit zuwenden. Ich klappte meinen Laptop auf und startete das Mailprogramm. Wieder einmal hatten mich Dutzende Schreiben erreicht, in denen mir Frauen ihr Leid klagten, andere wiederum Hilfe anboten. Ich scrollte durch die Nachrichten und stieß auf eine Mail von Joanna.
    Liebe Waris,
    erfreuliche Nachrichten aus München. Du bist eingeladen, Ende Juli den Thomas-Dehler-Preis entgegenzunehmen, den man dir für dein Engagement gegen FGM verleihen will. Ist das nicht toll? Dann könntest du Safa und die anderen gleich zur Verleihung mitnehmen, wenn du magst. Lass uns morgen mal telefonieren.
    Liebe Grüße
    Joanna
    Ich freute mich sehr über diese Nachricht. Die deutsche Thomas-Dehler-Stiftung ehrt alljährlich herausragende Persönlichkeiten, die sich vor allem durch ihren selbstlosen Einsatz gegen Vorurteile, Intoleranz und Hass zwischen Völkern, Religionen und Klassen auszeichneten. »Und durch ihren Kampf gegen die Feinde der Freiheit«, las ich nun noch einmal auf Wikipedia nach. Das gefiel mir. Nicht weil ich für mein Leben gern Preise und Auszeichnungen entgegennehme, sondern weil die Verleihung die Aufmerksamkeit der Menschen wieder auf die Foundation und unsere wichtige Arbeit lenkte. Selbstverständlich würde ich die Einladung annehmen, und Joannas Idee, unsere Gäste mitzunehmen, gefiel mir ausgesprochen gut. Nachdem ich noch einige andere Mails beantwortet hatte, fiel ich todmüde ins Bett.
     
    »Waris, Waris!«
    Safa läuft mir freudestrahlend über einen weißen Strand entgegen. Ihr Haar weht im Wind, sie trägt ein strahlend weißes, hübsches Kleid, an ihrem Hals baumelt wie immer die Hand Fatimas.
    »Endlich bist du wieder hier in Dschibuti.«
    Ich umarme mein Patenkind innig und küsse es auf die Stirn. »Wir werden Inab helfen«, flüstere ich ihr leise ins Ohr.
    Plötzlich knie ich nicht mehr im Sand, sondern in einem hell erleuchteten Gang. Verwirrt erhebe ich mich. Männer und Frauen in weißen Mänteln gehen an mir vorüber. Ich spreche sie an und frage, wo ich denn hier sei. Doch sie hören mich nicht. Mit schnellen Schritten gehe ich den Gang entlang und entdecke unzählige weiße Türen. Ich öffne eine nach der anderen und werfe einen suchenden Blick in die Räume, in denen jeweils vier Krankenbetten stehen. Darin liegen junge Mädchen und Frauen, die ich nicht kenne – und dennoch strahlen sie mich lachend an und winken mir zu.
    »Danke, Waris«, rufen sie glückselig.
    Ich verstehe nicht, wofür sie sich bedanken. Aber ganz offensichtlich bin ich in einem Krankenhaus. Ich laufe und laufe, der lange Gang scheint kein Ende zu nehmen. Ein undefinierbares Gefühl treibt mich auf die große Tür in weiter Ferne zu. Ich weiß, dass ich sie erreichen muss, wenngleich mir nicht klar ist, wieso.
    »Waris«, hallt mir plötzlich eine vertraute Stimme entgegen. Es ist Inab.
    »Inab, wo bist du?«, rufe ich verzweifelt und renne los.
    Als ich die große Tür endlich erreicht habe, reiße ich sie mit Schwung auf. Ein riesiges Bett steht in dem Raum, dessen Wände bunt bemalt sind und eine unglaubliche Fröhlichkeit ausstrahlen.
    »Danke, Waris«, sagt nun auch Inab zu mir, die in dem überdimensionalen, sichtlich weichen Bett beinahe verschwindet.
    Noch bevor ich dem Mädchen antworten kann, steht ein Mann mit graumeliertem Haar neben mir. Ich kenne ihn, vermag ihn aber nicht zuzuordnen. Ich blicke auf seinen weißen Arztkittel und versuche den Schriftzug darauf zu lesen, was mir nicht gelingt. Erst als ich ganz nah herangehe, schärft sich mein Blick.
    »Doktor Pierre Foldès«, lese ich die erste Zeile vor, unter der »Desert Flower Center« steht.
     
    »Waris, Waris!«
    Jemand rüttelte an meiner Hand, und ich fuhr erschrocken hoch. Schlaftrunken starrte ich meiner Adoptivtochter Hawo mit weit aufgerissenen Augen ins Gesicht.
    »Wo bin ich?«, stieß ich atemlos hervor.
    »Wir sind zu Hause, in Polen. Du hast geträumt«, sagte das fünfzehnjährige Mädchen. »Ich wollte dir nur sagen, dass Leon aufgewacht ist.«
    »Danke, ich gehe gleich hinüber zu ihm«, erwiderte ich erschöpft.
    Während Hawo zurück in ihr Zimmer tappte, blieb ich noch einige Minuten allein in der Finsternis

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