Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
nun an einem der Träger festhingen. Lachend befreite Sophie die eingeklemmten Haare, als Safa plötzlich hysterisch loskreischte. Hektisch riss sie die Arme hoch, um ihren nackten Oberkörper zu bedecken.
Sophie blickte nach draußen, wo soeben ein älterer Herr vorüberging. »Safa, der Mann ist nur vorbeigelaufen, er hat nicht einmal hingesehen, außerdem ist doch nur dein Oberkörper nackt«, versuchte sie die Kleine zu beruhigen.
»Zieh dich endlich richtig an«, fuhr Inab das kleine Mädchen barsch von draußen an und schimpfte dann auf Somali weiter.
Verdrossen ging Sophie aus der Kabine und zog die Tür hinter sich zu. Wie sehr die beiden durch ihre Erziehung ihrer Freiheit beraubt werden, überlegte sie.
Inab lief an ihr vorbei auf den Steg zu, Safa im Schlepptau. Sophie folgte den Mädchen zu dem glasklaren See, während Walter und Idriss im Restaurant des Schwimmbads einen Kaffee tranken.
Vorsichtig streckte Inab ihre Zehen ins Wasser. »Brrr, das ist mir zu kalt«, stellte sie fest und setzte sich neben Sophie, die auch bloß die Beine ins kühle Nass baumeln ließ.
Ehe die beiden Frauen reagieren konnten, flitzte Safa an ihnen vorbei und sprang furchtlos und kopfüber in den See, woraufhin das Wasser nur so spritzte. Prustend tauchte sie wieder auf und tobte mit den anderen Kindern für die nächste Stunde vergnügt umher. Als es Zeit zum Weiterfahren war, konnten die Erwachsenen sie nur mit dem Versprechen aus dem Wasser locken, in Wien ebenfalls schwimmen zu gehen.
Wieder im Wagen, schmollte sie erst einmal, bis sie unterwegs an einem kleinen Windpark vorbeikamen.
»Was ist das?« Safa tippte auf Sophies Schulter und deutete auf die großen Windräder, die von den leuchtend gelben und grünen Feldern in den Himmel ragten.
Während Sophie und Walter ihr erklärten, wie damit Strom erzeugt und vertrieben wurde, hörte Idriss aufmerksam zu.
»Das wäre eine tolle Sache für Dschibuti«, sagte er schließlich. »Bei uns in Balbala hat kaum jemand Zugang zu Strom, aber fast alle Leute haben Handys und andere Geräte, die könnten sie bei mir aufladen. Ich würde auch nicht viel Geld von ihnen verlangen, und so hätten wir am Ende alle etwas davon. Ich bräuchte bloß so ein Windrad.«
So träumerisch die Überlegungen des Mannes klangen, die Idee hatte durchaus etwas für sich. Bereits vor einigen Jahren hatte ich in Wien an einer UN -Konferenz zum Thema »Erneuerbare Energie in Afrika« teilgenommen. Dabei wurde unter anderem die Gesundheitsproblematik diskutiert, die durch das Verheizen giftiger Stoffe entstand. Was viele nicht wissen: In der Dritten Welt sterben die Menschen nicht nur an den Folgen der Hungersnot, sondern viele leiden auch an tödlichen Lungenkrankheiten, weil sie von Plastiktüten bis Aludosen so ziemlich alles zu verheizen versuchen, was sie in die Finger bekommen. Die Dämpfe vergiften die Menschen sukzessive.
»Wo kocht ihr eigentlich, im Haus oder im Freien?«, fragte Sophie nun Safas Vater.
»Die meisten Leute kochen im Haus. Wir haben eine offene Küche und mittlerweile einen Herd, der mit Kerosin betrieben wird. Er steht drinnen an einer Mauer, ist aber auf der anderen Seite offen, damit der Rauch abziehen kann.« Idriss war offenbar bekannt, dass das Kochen mit Kerosin gesundheitsschädlich war.
»Du weißt aber, dass sehr viele Kinder deshalb krank werden?«, bohrte Sophie nach.
»Na ja, dass dieser Rauch nicht gesund sein kann, ist klar«, antwortete der Mann. »Dass es bei uns so viele Kinder mit Lungenproblemen gibt, könnte durchaus von den Feuerstellen in den Wohnhäusern kommen.«
»Was ist mit Amir?« Sophie ließ nicht locker. »Ist er womöglich auch deshalb krank geworden?«
Idriss winkte ab. »Nein, das kann nicht sein. Er war dem Rauch nie lange ausgesetzt, und jetzt kochen wir ja nahezu im Freien.«
Nachdenklich sah Sophie aus dem Fenster. Natürlich konnte es durchaus sein, dass der Kleine aus einem anderen Grund krank geworden war. Aber im Grunde sprachen alle Indizien dafür, dass auch Amir regelrecht von den Missständen in dem Armenviertel vergiftet worden war. Idriss wollte dies anscheinend nicht wahrhaben. Das war nur zu verständlich, sonst hätte er sich am Ende selbst die Schuld für den ernsten Gesundheitszustand seines Kindes geben müssen.
»Aufwachen! Wir sind in Wien!«
Walters Stimme riss die Fahrgäste, die allesamt eingenickt waren, aus dem Schlaf. Zum ersten Mal seit Stunden wurde der Wagen langsamer und bremste vor der
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