Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
konnte sich also kaum um Blutergüsse handeln. Aber ein erst sieben Jahre altes Mädchen würde wohl kaum Akne bekommen. Sophie beschloss, mit meinem Patenkind die nächste Apotheke aufzusuchen. Idriss und Inab wollten sich zwischenzeitlich eine Cola aus dem Supermarkt holen.
Mit Safa an der Hand betrat Sophie das modern eingerichtete Geschäft, auf dessen Portal in riesigen Lettern »Pharmacie« stand. Hinter der gläsernen Theke stand ein älterer Herr mit Nickelbrille und einem strahlend weißen Kittel.
»Guten Tag«, begrüßte Sophie den Apotheker freundlich und kam gleich zur Sache. »Könnten Sie mir vielleicht sagen, was das hier sein könnte?«
Sie deutete auf die besorgniserregenden Flecken in Safas Gesicht, die wie erstarrt dastand und sich nicht zu rühren wagte. Der Herr beugte sich über den Tresen und untersuchte das Gesicht des Mädchens aus der Nähe.
Verdutzt guckte Safa ihn an. »Sie haben Ihre Brille falsch rum auf«, sagte sie dann. »Die gehört nicht auf die Nasenspitze, sondern weiter nach oben, zwischen die Augen. Dafür ist nämlich diese Einbuchtung da.«
Stolz präsentierte sie ihm ihre rosa Sonnenbrille und setzte sie so auf, wie es ihr Sophie beigebracht hatte.
Der Apotheker lachte amüsiert und erwiderte liebevoll: »Du hast völlig recht. Aber meine Nase ist leider zu groß, deshalb muss ich meine Brille da unten tragen.«
»Ach so.« Interessiert betrachtete Safa daraufhin seine große Nase.
Dann wandte sich der Pharmazeut an Sophie. »Madame, das sieht mir nach Ekzemen aus.« Der Klang seiner Stimme war schlagartig ernst geworden. »Waschen Sie Ihre Tochter denn auch ordentlich?«, fragte er mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton.
Prompt lief Sophie rot an und klärte ihn auf. »Das Mädchen ist nicht meine Tochter, sondern ein Gast aus Dschibuti. Gemeinsam mit ihrem Vater ist sie erst vor einigen Tagen hier in Paris angekommen. Die beiden waren zuvor noch nie im Ausland.«
Der Apotheker entschuldigte sich sofort bei ihr. »Sie glauben gar nicht, was man in meinem Beruf alles sieht. Jetzt verstehe ich«, fuhr er fort. »In diesen Ländern herrschen leider schlimme Zustände, was die Hygiene betrifft. Derlei Ekzeme haben dort deshalb viele Menschen. Ich gebe Ihnen eine Salbe mit, die Sie der Kleinen bitte dreimal täglich dünn auftragen. In ein paar Tagen dürften die Flecken zurückgehen. Wenn nicht, sollten Sie unbedingt einen Hautarzt aufsuchen.«
Dankbar nahm Sophie die Salbe entgegen und bezahlte.
Beim Hinausgehen entdeckte Safa einen Arztkoffer, der zur Dekoration im Schaufenster der Apotheke stand. »Den will ich haben!«, rief sie so laut, dass sich alle Kunden nach ihr umdrehten.
»Wozu brauchst du denn einen Arztkoffer?«, fragte Sophie erstaunt.
»So einen habe ich schon einmal bei Doktor Acina gesehen«, erklärte Safa. Die Kinderärztin in Dschibuti war aufgrund der regelmäßigen Untersuchungen für das Mädchen zu einer der wichtigsten Bezugspersonen und zu ihrem Vorbild geworden.
»Darin sind lauter Gegenstände, mit denen Doktor Acina den Menschen helfen kann«, fuhr Safa mitten im Eingang der Apotheke fort. »Weißt du, Sophie, wenn ich groß bin, will ich auch anderen Menschen helfen. Deshalb brauche ich unbedingt diesen Koffer.«
Safas Worte rührten Sophie ebenso wie den Apotheker, der inzwischen vor seinen Tresen getreten war.
»Das ist aber toll, dass du jetzt schon berufliche Pläne hast«, bewunderte er die Siebenjährige.
»Ja, ich muss ganz vielen Mädchen in Dschibuti helfen«, antwortete Safa mit fester Stimme. »Waris und ich werden verhindern, dass sie beschnitten werden.«
Erstaunt blickte der Mann im weißen Mantel zu Sophie, die den Satz jedoch unkommentiert ließ.
Was hätte sie auch dazu sagen sollen? Dieses kleine Mädchen hatte in den wenigen Tagen mehr verstanden als Tausende Erwachsene in der ganzen Welt.
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15.
Die Autofahrt
D ie Dunkelheit war schon über Danzig hereingebrochen, nur das Licht aus meinem Wohnzimmer warf einen hellen Schein auf den weißen Sandstrand vor meinem Haus in der ehemaligen Hansestadt. Die Entscheidung, mich hier in Polen niederzulassen, fernab des Trubels der mitteleuropäischen Metropolen, war goldrichtig. Ich hegte den Gedanken nicht zum ersten Mal. Hier konnte ich die Seele baumeln lassen, mich von dem jahrelangen, kräfteraubenden Kampf gegen FGM erholen und meinem eigenen Sohn sowie den beiden Adoptivkindern Mo und Hawo beim unbeschwerten Aufwachsen zusehen.
Ich hatte gerade Leon,
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