Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
mal davon aus, dass er zu euch gehört.«
Die stylisch gekleidete Juwelierin stellte sich allen vor und öffnete schließlich den kleinen Koffer, den sie mitgebracht hatte. Auf schwarzem Samt funkelten darin ihre neuen Schmuckstücke.
»Wow!«, stießen Inab und Safa, die ganz dicht vor dem Koffer standen, gleichzeitig vor Staunen aus. »Ist das alles echtes Gold?«, fragte Safa flüsternd.
»Ja, das ist echtes Gold«, antwortete Liat in ihrem unverwechselbaren, sympathischen Akzent. »Aber du trägst ja auch so ein schönes Schmuckstück an deinem Hals.« Die Schmuckdesignerin deutete auf die goldene Hand Fatimas, die auf Safas dunkler Haut glänzte.
Doch das Mädchen wandte den Blick keinen Millimeter von der Schmuckschatulle ab, in der eine traumhaft schöne Kreation neben der anderen lag. Vorsichtig hob Liat das erste Schmuckfach an, unter dem eine weitere Lage mit edlen Stücken zum Vorschein kam. Die Mädchen konnten es kaum fassen. Liat zog eine Kette heraus. »Schau mal, die sieht genauso aus wie deine.«
Fasziniert starrte Safa auf den Anhänger, der direkt über ihrem Gesicht pendelte, als wollte er sie hypnotisieren. Es war ebenfalls eine Hand Fatimas. Daraufhin erklärte ihr die Künstlerin, dass das schöne Stück, das ich Safa einst geschenkt hatte, von ihr stammte. Es war der Prototyp für die Kollektion mit dem besonderen Zeichen, das seinen Besitzer für immer beschützen sollte.
Stolz griff sich die kleine Wüstenblume an den Hals. »Das heißt, Waris muss mich wirklich liebhaben, wenn sie mir so etwas Wertvolles schenkt, oder?«, fragte sie unsicher.
Liat strich über ihre zarte Wange und sagte: »Da kannst du dir ganz, ganz sicher sein.«
Wie viel die kleine Safa mir bedeutete, merkte ich, als ich nur wenig später Sophie zurückrief, die schon mehrmals versucht hatte, mich zu erreichen. Mir stockte förmlich der Atem, als sie mir die Hiobsbotschaft überbrachte.
»Ich habe schreckliche Angst, dass Safa in den letzten Monaten beschnitten worden ist«, flüsterte sie.
»Was sagst du da?«
Hörte das denn niemals auf? Konnte ich denn niemals sicher sein, dass wir mein Patenkind mit dem notariellen Vertrag tatsächlich gerettet hatten?
Sophie erzählte mir von den Vorfällen, die zu dem schrecklichen Verdacht geführt hatten. »Es hat den Anschein, als hätte ihr jemand verboten, sich vor uns nackt zu zeigen«, resümierte die junge Frau.
Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich, Erinnerungen an den Abend in Dschibuti kamen wieder hoch, als Fozia mir gegenüber angedeutet hatte, dass die Familie dem gesellschaftlichen Druck nicht länger standhalten könne und sie Safa eines Tages zu einem »reinen Mädchen« machen müssten. Hatte diese Frau allen Ernstes ihre Drohung wahr gemacht? Die Tatsache, dass mein Patenkind nicht unter Schmerzen litt, sprach zwar dagegen, dennoch musste ich mir schleunigst Gewissheit verschaffen.
Ich versuchte ruhig zu bleiben, atmete tief durch und sagte schließlich: »Sophie, ich muss sofort mit Idriss sprechen.« Meine Stimme wurde lauter.
Meine Mitarbeiterin erwiderte, dass sie die Mädchen, die noch immer im Büro waren, mit Juliana fortschicken und mich dann umgehend mit Idriss verbinden werde.
»Gut. Aber beeil dich. Ich muss wissen, was da los ist«, sagte ich und legte auf.
In diesem Moment ahnte ich nicht, dass ich noch viele Stunden des Bangens vor mir haben würde.
Sophies schöner Plan schlug nämlich gehörig fehl, da Idriss die drei unbedingt begleiten wollte und Sophie erst mal alleine im Büro zurückblieb. Entsprechend gereizt war die Stimmung zwischen den beiden Kolleginnen. Während die Wienerin wie auf heißen Kohlen dasaß und wartete, fuhr Juliana mit den dreien in die Stadt. Sie zeigte ihnen den Stadtpark und führte sie durch die Kärntner Straße zum berühmten Stephansdom. Anschließend schlenderten sie durch die Fußgängerzone, wo sie für Inab einen Badeanzug kaufen wollten. Juliana hoffte, dass auch Safa einen anprobieren würde und sie so die Gelegenheit bekäme, ihre Unversehrtheit zu überprüfen. Obwohl das Thermometer gut und gerne dreißig Grad anzeigte, weigerte Idriss sich beharrlich, die Daunenjacke auszuziehen. Rauchend trottete er hinter Juliana und den fröhlich springenden Mädchen her, ihn schienen die Temperaturen nur wenig zu beeindrucken.
Als Juliana zwei Stunden später alleine in das Büro der Desert Flower Foundation Wien zurückkehrte, saß Sophie immer noch an ihrem Arbeitsplatz, starrte
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