Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
Pilotinnen Paare gibt.
Noch auf der Fahrt zum Flughafen gab es für das verliebte Pärchen dann eine Standpauke vom ebenfalls schwulen Purser zum Thema Auftritt in der Öffentlichkeit/Betragen im Dienst , die wir anderen mit ausgeschalteten iPods in den Ohren interessiert verfolgten.
Eine immer noch angenehmere Situation als die, in der ich mich jetzt seit geschlagenen vier Stunden befinde.
Ich stehe aufgerüscht in einem Club in West Hollywood, dicht gedrängt gegen einen Käfig, dessen Gitterstäbe fiese Abdrücke auf meiner neuesten Shopping-Errungenschaft hinterlassen, einem ganz schmissigen Top mit Neckholder in Altrosa.
Eine Heerschar Tanzwütiger stürmt begeistert in die Mitte, als ein neuer Titel angespielt wird, und ich hätte nicht gedacht, dass es einen Ort wie diesen wirklich gibt. Genauer gesagt ist der Club nämlich eine umgebaute Neobarockkirche, deren Deckenmalereien von Michelangelo höchstpersönlich stammen könnten und gleichzeitig die Aufhängung für mehrere Trapeze bilden, auf denen Go-go-Tänzer über der Menge schweben.
Ein letztes Mal ziehe ich verzweifelt am Strohhalm meiner Flasche Pellegrino, und es macht genau dieses traurige Geräusch wie damals in der großen Pause, wenn der Kakao alle war.
Als ich zögerlich den Eingang passiert habe, kamen mir sowieso schon erste Zweifel, ob das hier eine gute Idee für einen von zwei Abenden meines Aufenthaltes in Kalifornien ist. Wie im alten Troja loderten am Tor Säulen unter nahezu olympischem Feuer, und zwei durchtrainierte Gladiator-Türsteher bewachten die Pforte ähnlich furchteinflößend wie das letzte Level von Ninja Nightmare II .
Es mag eine optische Täuschung gewesen sein, aber ich meine doch, es waren eine Art Ricky Martin und ein »Complete-Makeover-Klaus Wowereit« im Kettenhemd, die auf mich herabgesehen hatten wie auf eine Amöbe, bevor sie mich einließen. Schließlich ist wieder einmal Madonnas Geburtstag, und natürlich ist man an einem solchen Abend sehr wählerisch, was das Publikum angeht.
Ich denke, ab da begann ich bereits zu bereuen, dass ich nicht einfach in meinem Kingsize-Bett liegen geblieben bin und mich in mein Horoskop vertieft habe. Aber wie so oft hat mich mein schlechtes Gewissen gegenüber der reisetechnisch benachteiligten Dritten Welt von Baden-Württemberg bis Schleswig-Holstein nach draußen getrieben.
Ich dachte an Studenten und Pensionäre, die über Jahre auf eine derartige Reise sparten und sehnsüchtig die Angebote in den Fenstern von Reisebüros in Bottroper Einkaufspassagen verfolgten. Und ich lag bloß faul herum, in der Stadt der Engel . Unverantwortlich.
Also ging ich ins Bad, zog meine zivilen hohen Schuhe aus dem Koffer, verkuppelte mein Glätteisen mit dem Adapter und stand kurz darauf am allabendlichen Treffpunkt in der Lobby.
Zwei männliche Kollegen waren bereits da und unterhielten sich über die qualitativen Unterschiede der Massagen auf der AIDA Diva, verglichen mit denen auf der MS Deutschland. Spätestens seit Sascha Hehn auf dem Traumschiff einen Abschluss in Nautik simuliert hat, weiß man ja, wie gut schöne Männer und Bullaugen zusammenpassen.
Obwohl sie mich lächelnd empfingen, setzten sie ihre Fachsimpelei fort, und ich fühlte mich ein bisschen überflüssig. Gegen acht Uhr siebzehn war klar, dass vom Rest der Crew niemand mehr kommen würde.
»Na, dann machen wir eben einen Dreier …«, kommentierte Edgar trocken die Situation, und in dieser Sekunde war meine Chance vertan, mich doch lieber wieder hinzulegen.
Sebastian sah unsere Menage à trois weniger humorvoll und stöhnte, kaum dass wir die Drehtür des Hotels durchschritten hatten: »Gott, ich kann nicht glauben, dass ich hetero weggehe.«
Ich fühlte mich spontan schuldig, und während uns einer der Pagen ein Taxi heranwinkte, sagte ich unüberlegte Sätze wie: »Nehmt auf mich gar keine Rücksicht«, »Bin quasi gar nicht da« und »Ich bin für alles offen«.
Das ist jetzt volle vier Stunden her.
Von Edgar und Sebastian war seit den ersten Gitarrenriffs von »Hollywood« keine Spur mehr zu sehen. Es ist schon wieder eine Weile her, dass ich mich so gefühlt hatte, wie Carrie aus Sex and the City , die mit ihrem schwulen besten Freund Stanford ausgeht.
Nachdem ich mich entschieden hatte, aus Moosburg weg und in die Stadt zu ziehen, erlag ich kurzzeitig der Idee, ein schwuler Mitbewohner sei genau das, was ich bräuchte.
Und zwar nach mehreren Anzeigen, die mich im Sendlinger Abendblatt als
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