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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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überhaupt genug Geld, um die Polizisten zu bezahlen?«
    »Sie hat recht, junger Mann«, sagte Emeka. »Du warst zu voreilig. Und du weißt ja, es sind besondere Zeiten. Wir bewundern alle, welche Geduld du mit dem Häuptling hast. Irgendwie, weißt du, hätte sich das Problem schon gelöst. Aber diese Polizisten haben mir nicht mal die Chance gegeben, zu sehen, ob mein Freund und mein Vetter den Scharia-Krieg in Khamfi überlebt haben oder nicht. Sie kennen kein Erbarmen.«
    »In diesem Land die Polizei um Hilfe zu bitten«, sagte eine Frau, »das ist, als ob ein Bauer Heuschrecken auf seine Felder einlädt.« Und eine andere meinte: »Kein vernünftiger Vater würde seine Tochter Vergewaltigern ausliefern.«
    »Weißt du, Gabriel«, sagte Monica, »in dem Land hier sind
Polizei und Soldaten keine Nordler oder Südler, keine Christen oder Muslime – bloß Verbrecher … die sind zu keinem gerecht.«
    »Habe ich nicht gesagt, dass ich das Wort Muslim hier nicht hören will?«, fragte der Häuptling.
    »Ups, 'tschuldigung«, erwiderte Monica. »Vergessen.«
    »Warum hört in diesem Land eigentlich niemand mehr auf königliche Väter?«, beklagte der Häuptling. »Was passt euch denn nicht an uns?«
    Emeka stand auf, ging zu Jubril – wobei er sorgsam darauf achtete, nicht auf die Feder des Häuptlings zu treten – und erklärte ihm die Lage. »Siehst du, Gabriel«, flüsterte er, »da wir eine bürgerliche Regierung haben, sollten wir versuchen, unsere Streitigkeiten ohne Polizei oder Soldaten beizulegen. Während der Militärherrschaft haben die Generäle Milliarden unserer Öldollar gestohlen … Und in diesen demokratischen Zeiten machen jetzt einige Generäle eine Kehrtwende und unterstützen Gesetze, denen zufolge einem armen Hühnerdieb die Hand abgehackt wird …«
    »Und wenn wir jetzt diese Generäle vors Scharia-Gericht zerren würden«, warf Tega ein, »was sollen wir ihnen dann abhacken? Und was dranlassen? So oder so kriegen wir unser Geld nicht wieder. Die Scharia kann den reichen Muslimen nix! Die rennen doch sofort zu 'nem weltlichen Gericht. Sogar die skrupellosen Gouverneure, die die Scharia einführen, wollen selber nix damit zu tun haben. Die laufen lieber zum normalen Gericht und lassen sich ihre Immunität gegen die Scharia bestätigen …«
    »Ruhig Blut, Schwester«, flehte Emeka sie an. »Lass mich Gabriel die Sache in Ruhe erklären.«
    Sie aber fuhr fort: »Ich sag nur: Wir müssen uns selber schützen … Also, Gabriel, mach, dass du die Polizei da raushältst, aber zack-zack.«
    Jubril hörte längst nicht mehr zu. Während man um ihn
herum die Krise analysierte, drehten sich seine Gedanken um die eigene missliche Lage. Sein Gesicht war zu einem Lächeln erstarrt, die Augen blickten ins Weite, der Blick war unbestimmt an die Busdecke geheftet, hielt aber sicheren Abstand zu den Fernsehgeräten.
    Wie wird mich mein Vater empfangen, wenn ich nach Ukhemehi komme?, dachte er. Was erzähle ich ihm von Yusuf? Wird es ihn und seine vielen Familienmitglieder besänftigen, wenn ich vom Islam zu Deeper Life übertrete? Yusuf hat gesagt, ein paar von denen wären Katholiken geblieben, andere hätten wieder die Religion ihrer Ahnen angenommen. Was wäre meinem Vater gegenüber fair? Wann werde ich ihm die ganze Wahrheit sagen? Als Yusuf bei ihm war, hat er ihm bestimmt erzählt, dass ich ein gläubiger Muslim bin. Und wie erkläre ich das mit meiner Hand? Wie lange kann ich das verbergen? Vielleicht sollte ich meinen Leuten im Delta was vorlügen, ihnen weismachen, ich hätte nichts gestohlen, wäre gezwungen gewesen, den Diebstahl zu gestehen, und sei in meinem Leben noch nie für die Scharia gewesen. Wenn sie das glauben, haben sie vielleicht mehr Verständnis für meine Lage.
    Er suchte tief in seinem Herzen und fand ein wenig Trost: Vielleicht wäre ein öffentliches Bekenntnis angemessen, so eines wie das, das im Gleichnis vom verlorenen Sohn vorkam, von dem Yusuf gepredigt hatte. Jubril war bereit, dafür alles zu riskieren, sogar den Tod. Seine Flucht wurde für ihn zur Mission. Er sollte zum Vater zurück und ihm die Wahrheit sagen, eine Wahrheit, die er unter allen Umständen für sich behalten musste, bis er ans Ziel gelangte. Nach dem, was ihm Yusuf erzählt hatte, durfte er sich der Vergebung seines Vaters und der Gastfreundschaft des Dorfes Ukhemehi sicher sein.
    »Gabriel hat was an den Ohren«, sagte der Häuptling glucksend, als er Emekas und Ijeomas bestürzte Mienen sah.

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