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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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»Entschuldigt, ich hatte vergessen, es euch zu sagen. Manchmal benutzt er sogar Zeichensprache.«
    »Gabriel, du hast echt Nerven!«, fauchte Ijeoma ihn an und schrie dabei so laut, dass sich der ganze Bus zu ihr umdrehte. »Wir flehen dich an, keine Polizei zu holen, weil die uns umbringt, und du grinst nur blöd und posierst hier rum wie ein Gucci-Model … mit der Hand in der Tasche.« Sie packte und schüttelte ihn, bis sein Verstand wieder zum Bus zurückfand. »Wir wollen keine Polizei mehr in diesem Bus, die sich um unsere Probleme kümmert!«
    Als Jubril sich umschaute und merkte, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren, sagte er: »Okay, keine Polizei.«
    »Taub oder was?«, wollte Emeka wissen.
    »War nicht bös gemeint«, sagte Jubril und verbeugte sich.
    »Keine Sorge, Leute«, rief der Häuptling. »Ich sag der Polizei, sie soll sich nicht mehr einmischen. Okay?«
    »Ja, Häuptling«, antworteten sie ihm.
    »Danke, Häuptling … Bist ja doch ein echter Häuptling.«
    »Gott segne dich, Häuptling.«
    Nun, da die Polizei aus dem Spiel war, beruhigten sich die Gemüter wieder. Jubril hörte zu, wie die Passagiere darüber schwatzten, welche Macht der Häuptling wohl besäße. Jubril konnte einen Häuptling nur mit einem Emir im Norden vergleichen, doch nach all dem, was er so hörte, war ein Emir sehr viel mächtiger.
    Häuptling Ukongo stand auf und räusperte sich. »Mein Volk, nun redet ihr … mit mir … eurem Häuptling!«, wandte er sich an die Leute im Bus, pochte mit dem Gehstock auf den Boden und ging hinüber, wo die Feder liegen geblieben war. Mit großer Zärtlichkeit hob er sie auf und legte sie mit dem Amulett zurück in seine Tasche. »Wie sagt man bei uns?«, fuhr er fort. »Die Welt ist voller Götter, doch werden nur die wichtigen mit Namen genannt. Und vergesst nicht: Es ist immer gut, ein Götzenbild mit beiden Händen zu tragen, mag es auch noch so klein sein. Seht, mein Volk, wir befinden uns in einer Zeit der nationalen Krise. Ihr solltet euch um eure königlichen
Väter scharen … So wie der Norden sich um die Emire schart.« Er bat Jubril, sich neben ihn auf den Boden zu setzen, genau dorthin, wohin die Feder gefallen war. Jubril nahm sofort Platz, gleich neben Monica. Sie lächelte ihn an; er beachtete sie gar nicht.
    Der alte Mann warf Jubril einige Kekse in den Schoß, wofür sich der Junge bedankte. Die Flüchtlinge, die gerade noch zu ihm gehalten hatten, schauten ihn nun nicht einmal mehr an. Einsamkeit und Angst kamen zurück, gingen in ihm auf wie Hefe. Er presste sich an den Sitz des Häuptlings, damit niemand merkte, wie sehr er zitterte. Je stärker er sich mit seinen schmerzenden Muskeln anlehnte, desto mehr schmerzten die Wunden unter den Kleidern. Erst als der Häuptling ihn fragte, warum er nicht esse, kam er wieder zu sich. Häuptling Ukongo klang, als überlegte er, ihm nicht bloß die Kekse wieder fortzunehmen, sondern auch ihn mit seinen Zauberkräften in ein Sandkorn zu verwandeln. Rasch begann Jubril zu essen.
     
    Mehrere Male war dort draußen über den Lärm der Busbahnhofsmenge hinweg das kurzatmige Bellen eines Hundes zu hören, doch wurde das Gekläff mit jeder neuen Anstrengung schwächer, fast, als hätte das Tier Keuchhusten und vermöchte nichts gegen den grässlichen, unwillkürlichen Reiz auszurichten.
    Der örtliche Fernsehsender sandte weiterhin seine grauenvollen Bilder von den kriegerischen Auseinandersetzungen und fesselte damit die Aufmerksamkeit der meisten Passagiere, die immer noch auf Fahrer und Diesel warteten. Teilnahmslos betrachteten sie nun die wieder und wieder gezeigten Bilder aus den Kasernen und hörten demselben Nachrichtensprecher zu, der ihnen stets aufs Neue versicherte, dass alles in Ordnung sei. Jubril aber ließ den Häuptling nicht aus den Augen. Obwohl der Alte nun bei seinen Leuten Respekt gefunden hatte, wirkte er seltsam rastlos, weshalb es Jubril vorkam, als errei
che der eben erlangte, sich im Bus ausbreitende Frieden diesen Mann nicht. Hin und wieder trieb dem Häuptling eine unmerkliche Angst Tränen in die Augen. Er fischte seinen Ausweis heraus, besah ihn sich und fragte Jubril, wieso die Flüchtlinge sich geweigert hatten, seinen Ausweis anzusehen. »Wie konnten sie nur, wo ich doch freiwillig bereit war, ihn herzuzeigen?«, fragte er.
    »Tut mir leid, Häuptling«, sagte Jubril. »Tut mir wirklich leid.«
    »Schon in Ordnung.«
    Der Häuptling stierte auf sein frohes, zuversichtliches jüngeres Ich

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