Sag, dass du eine von ihnen bist
mit dem die bärtigen Iren unsere Vorfahren bespritzt haben, um sie auf der Stelle in Christen zu verwandeln. Und dann hat die Kirche auch keine Zeit
mehr verschwendet und sie in den Fluss getunkt, noch ehe der Heilige Geist kam …«
»Ja! Ja!«, jubelten die Christen.
»Nur drei Tropfen Wasser, und man spricht Latein so gut wie der Papst«, fuhr er fort.
»Ganz genau! Natürlich!«
»Ich werde Rom höchstpersönlich empfehlen, dich zur Priesterin zu weihen …«
»Nein nein nein … Das wäre nicht unsere Kirche.«
»In unserer Kirche ordinieren wir keine Frauen, Häuptling.«
Ein leises Murmeln ging durch den Bus. Manche meinten, Madame Aniema gehöre von dieser Kirchentradition ausgenommen, während die Katholiken sagten, es sei unmöglich, eine Frau zur Priesterin zu weihen, wobei sie die Außenstehenden zugleich davor warnten, sich in ihre Angelegenheiten zu mischen. Der Soldat stand nur da, sah zu und schien überrascht, nicht länger Mittelpunkt des allgemeinen Interesses zu sein. Aufmerksam musterte er Madame Aniema, als erwartete er, dass sie ihm ihren Platz anbot.
»Entschuldigt, meine katholischen Kinder«, sagte der Häuptling. »Ich wollte euch nicht euren Glauben nehmen, okay? Aber – ähm – wie ihr selbst sehen könnt, ist die Wasserflasche dieser Frau viel zu klein für unsere lange Reise. Wenn der sechsjährige Wahn des Soldaten unterwegs erneut ausbricht, haben wir nicht mehr genug Weihwasser.«
»Ich hab nix gegen die katholische Kirche«, sagte Tega, »aber es stimmt, was der Häuptling sagt.«
»Richtig, wir sollten uns unsere Lage verdammt genau ansehen«, setzte Monica hinzu.
»Aber es ist für uns alle Platz in diesem Bus«, sagte Madame Aniema.
»Ich bestehe darauf, dass wir darüber abstimmen, ob er aus dem Bus gejagt wird. Das sage ich als königlicher Vater!«, gab der Häuptling zu guter Letzt kund.
Daraufhin begannen sie, Geld für die Abstimmung zu sammeln, denn eine Wahl bedeutete, man musste die Polizei bestechen. Der Häuptling flüsterte Jubril etwas ins Ohr, woraufhin der Junge für sie beide zahlte.
Wieder begann der Soldat zu zetern und zu drohen, da er wusste, dass man ihn loswerden wollte. Er warf eingebildete, nur in seiner Phantasie existierende Handgranaten in die Menge.
Jubril war verwirrt; er wusste nicht, zu wem er halten sollte. Er wusste nur, dass ihm der Platz auf dem Boden nicht gehörte. Und weil der Häuptling sich so sprunghaft verhielt, brachte er es nicht über sich, laut zu sagen, dass der Häuptling seine Platzkarte hatte. Jubril gefiel nicht, wie seine Mitreisenden bei jedem Thema die Seiten wechselten. Was, wenn der Häuptling bestritt, die Fahrkarte von ihm erhalten zu haben, und man ihn aus dem Bus warf? Welche Chance blieb ihm, wenn er zeigen musste, was er in der Tasche verbarg? Er flehte zu Allah und legte sein Schicksal in dessen Hände.
Wie zuvor der Kranke begann nun auch Emeka plötzlich zu zittern und lauthals Gott anzurufen. Die Passagiere hatten keine Angst; sie waren froh, sagten, er sei vom Heiligen Geist besessen, und dankten dem Herrn dafür, dass er sich ihnen angesichts der Bedrohung durch den irren Soldaten offenbarte. Emeka warf den Affenfellmantel ab und zog sein Hemd aus. Die Lider seiner großen Augen klimperten so hektisch wie eine kaputte Ampel, und jeder Zoll seiner kurzen Gestalt vibrierte vor wahrhaftiger Inbrunst. Trotz seines großen, breiten Mundes schien der Strom unverständlicher, ekstatischer Laute fast zu viel für ihn zu sein. Er sprach, ohne Luft zu holen. In Jubrils Ohren klang er wie Yusuf. Rasch verbarg er das Gesicht vor Emeka, schloss die Augen und versuchte, nicht an seinen Bruder zu denken. Dann stimmte er in seinem Herzen islamische Gesänge an, um sich von dem in Zungen redenden Emeka ab
zulenken. Doch es funktionierte nicht. Im Geiste wurde Emeka für ihn zu Yusuf. Auch wenn er die Augen öffnete, wurde er den Gedanken an Yusuf nicht los.
»Es gibt einen Feind in unserem Bus!«, rief Emeka und zog dabei die Worte emphatisch in die Länge. »Wir müssen den Bus spirituell reinigen … Jesus! Jeeesus! Jesu Blut muss heute Schande über euch bringen …«
»In Jesu Namen!«, antwortete die Passagiere.
»Ich sage, das Blut, das Blut, das Blut Jesu muss über diese Reise kommen.«
»Amen!«
»Jehova, der du zuließest, dass Jona ins Meer geworfen wurde … offenbare ihn uns jetzt, jetzt, jetzt.«
»Jetzt, jetzt, Jesu! Errette uns, Heiliger Geist!«
»Zeige uns den Bösen in diesem
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