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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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es noch zu den von ihm an der Kriegsfront erbrachten Opfern. Was mit seinem Leben auch geschehe, betete er laut, er habe seinen Teil getan und flehe Mami Wata nun an, ihn nach Hause zu führen. Dann stampfte er ein letztes Mal mit dem Fuß auf und lobte sie dafür, dass sie in diesem Land Jesus Christus und Mohammed besiegt hatte, woraufhin er mit einem irren Lächeln in die Runde sah.
    »Und? Wer sitzt auf meinem Platz?«, fragte er dann, während er begann, seinen Altar wieder einzupacken. »Steh lieber gleich auf, sonst trete ich dir in den Hintern.«
    »Wer weiß, dass er auf seinem Platz sitzt«, warnte Tega rasch den Bus, »sollte jetzt echt lieber aufstehen, abeg .«
    »Moment mal«, sagte der Soldat, dessen Blicke den Bus absuchten. »Wo ist Nduese? Wer hat meinen Hund gestohlen? Meinen Hund her, sofort, oder …«
    Rasch wiesen die Flüchtlinge auf den Häuptling.
    »Ehrenwerter Soldat«, sagte Häuptling Ukongo lächelnd, »Ihr schöner Hund schläft.«
    »Geben Sie mir einfach meinen Hund«, sagte der Soldat. »Ich warne Sie zum letzten Mal.«
    »Tapferer Soldat, entschuldigt … Während Sie Ihre Gebete sprachen, habe ich auf ihn aufgepasst.« Der Häuptling stand auf, offerierte dem Soldaten den Hund wie einen Blumenstrauß und deutete eine knappe Verbeugung an.
    Der Soldat riss ihm Nduese aus den Armen. »Verbeugen Sie sich ja nicht vor mir, Sie alter Gauner!«
    »Bitte, Oberst, im Namen aller Passagiere in diesem Bus«, sagte der Häuptling, »lade ich Sie ein, Ihre müden Knochen auf dem Platz auszuruhen, der gerade durch jenen irregeleiteten Geistmann frei wurde, der gegen Sie gekämpft hat.«
    » Abeg , Bruder, setz dich dahin!«
    »Ein schöner Platz!«
    »Ihr habt so viel gelitten für dieses Land!«
    »Nein, ich will meinen eigenen Platz«, verlangte der Soldat. »Den Platz, der mir zusteht.«
    »Geben Sie uns nur ein bisschen Zeit, uns Klarheit zu verschaffen«, sagte der Häuptling. »Wir stehen alle hinter Ihnen.«
    »Habt Geduld mit uns, verehrter Oberst«, sagte Madame Aniema plötzlich und nahm die Brille ab. Ihre Stimme glich einem Sprühnebel kühlen Wassers, der plötzlich auf das sich im Bus ausbreitende Feuer der Erregung niederging. Alle sahen zu ihr auf, da sie merkten, dass der Soldat auf sie hörte. Nur Jubril hockte weiterhin da, vergrub das Gesicht in der vorderen Kopfstütze und war sich nicht mehr sicher, was er tun sollte oder wem er vertrauen konnte.
    »Ich war in diesem Bus immer auf Ihrer Seite, Oberst«, sagte Madame Aniema.
    »Ja, das stimmt wohl«, antwortete der Soldat.
    »Stimmt«, sagte der Häuptling, »sie war immer auf Ihrer Seite. Wir sind nicht alle schlecht.«
    »Halt die Klappe, Häuptling!«, fuhr ihn Tega an. »Sie soll für uns sprechen, die heilige Frau.«
    »Ihretwegen, Madame«, sagte der Soldat, »werde ich geduldig sein. Aber ich will meinen Platz. Mein Leben lang habe ich immer nur gefordert, was mir zusteht. Ich bin kein Dieb.«
    Mit diesen Worten machte er es sich auf dem Platz des verstoßenen Emeka bequem, gleich neben Madame Aniema, streichelte seinen Hund und schaute hinaus ins Dunkel. Eine beklommene Ruhe breitete sich im Bus aus. Es war, als wäre den Flüchtlingen die größte Sorge genommen worden, und Madame Aniema begann erneut, in Die Nachfolge Christi zu lesen, ohne auf den Dank zu achten, der ihr von allen Seiten zugemurmelt wurde. Die Katholiken setzten erneut an, hoch erhobenen Hauptes die großartigen Leistungen zu loben, die ihre
Kirche über die Jahrhunderte vollbracht hatte. Selbst die Polizei kam in den Bus, um die Flüchtlinge für ihre Toleranz und Dialogbereitschaft zu loben und ihnen zu versichern, dass der Fahrer gewiss bald ausgeschlafen sei und sie nach Hause bringen würde. Und sie erinnerten daran, dass jeden, der Ärger machte, das gleiche Schicksal erwartete wie Emeka.
    Zu aller Erleichterung waren der Oberst und Nduese bald eingeschlafen. Sie schliefen, als hätten sie in den sechs Jahren, die der Oberst im Ausland bei den Friedenstruppen gedient hatte, keine Ruhe gefunden.
     
    Draußen wurde es kalt, die Kälte schien die Dunkelheit noch zu verstärken, und aus dem Norden trafen weitere Luxusbusse ein. Während sie durch die flache Hügellandschaft Richtung Busbahnhof heranrollten, strichen ihre mächtigen Scheinwerfer über Himmel und Gebüsch, und in den Kurven blinzelten die Warnblinker. Die Hupen wurden zu pausenlos blökenden Sirenen. Hoffnung brandete im Busbahnhof auf, die Leute rannten zur Straße und

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