Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
Vom Netzwerk:
und nahmen ihre Sitze ein, während der Fahrer den Bus vom Bahnhof manövrierte und die Innenbeleuchtung ausschaltete.
    Sobald der Bus anfuhr, war es Jubril, als würde er schweben, und er begrüßte das Halbdunkel von ganzem Herzen. Hätte er die Dunkelheit vollkommen machen können, er hätte es getan. Ihm war, als könnte sie seine Geschichte bis zur Dämmerung verbergen. Zum ersten Mal seit er den Kopf an die Kopfstütze gelehnt hatte, setzte er sich wieder auf, auch wenn er immer noch nicht wusste, wem er trauen konnte. Jetzt schaute er sich um, wie er es gern bei Licht getan hätte, obwohl er die Gesichter nun nicht mehr deutlich sehen konnte. Ihm fiel wieder ein, wie er in Mallam Abdullahis Haus unter den Matten gelegen hatte, in Dunkelheit gehüllt, und wie tröstlich diese Schwärze gewesen war, als er erfuhr, dass er unter Gebetsmatten lag.
    Während er in die vorbeiziehende Savanne schaute, peitschte ihm der Wind durch das offene Fenster ins Gesicht. Er dachte daran, wie ihn Mallam Abullahi im Schutz der Dun
kelheit in der Savanne ausgesetzt hatte und wie er in jene Richtung gelaufen war, die ihm der Mallam gezeigt hatte. Wie er bei Tageslicht von Baum zu Baum geschlüpft war, einem jungen Adler nicht unähnlich, der noch keine weiten Flüge zurücklegen konnte, wohl wissend, dass er auf den freien Flächen zwischen den gedrungenen Savannenbäumen allerlei Angriffen ungeschützt ausgesetzt war. Er versteckte sich selbst vor Mitflüchtlingen, da er niemandem trauen konnte. Nachts lauschte er dem heulenden Wind und achtete auf Anzeichen von Gefahr, dabei hielt er sich an die Straße von Khamfi nach Lupa und legte weite Strecken zurück. Ihm fiel auch die Bitte wieder ein, die er Allah immer wieder vorgetragen hatte: »Wenn du mich nicht gutheißt und meine Absicht, zu meinen Wurzeln im Süden zurückzukehren, wenn du mich nicht sicher heimgeleitest, wer dann?«
     
    Als der Bus an Fahrt gewann, wünschten ihnen die Polizisten eine angenehme Reise, sagten, sie bräuchten sich wegen der Zurückbleibenden keine Sorgen zu machen, und versprachen, bald die Fernseher einzuschalten. Der Fahrer hupte und stellte wie die kürzlich eingetroffenen Luxusbusse aus dem Norden die Warnblinkanlage an. Schon bald raste der Bus mit Höchstgeschwindigkeit dahin, glitt leise durch die Savanne dem Regenwald entgegen.
    Trotz der äußeren Umstände dieser Fahrt war es für Jubril wie ein Traum, hier im Bus zu sitzen: der Wind im Gesicht, der Anblick der Scheinwerfer, deren Licht unentwegt hinaus in die Nacht drängte, der Eindruck, stillzustehen und dunkles, von Warnblinkern gestreiftes Gebüsch vorüberhuschen zu sehen, das Gefühl, sanft in den Sitz gedrängt zu werden, wenn der Bus lange Kurven nahm oder in ein Tal fuhr. Er war Tega dankbar dafür, dass sie ihm ihren Sitz überlassen hatte, und blickte so oft wie möglich im Dunkeln zu ihr hinüber. Als die Polizei schließlich die Fernseher anmachte und den Lokalsen
der einstellte, fühlte sich Jubril so glücklich, bei diesen Leuten zu sein, dass er sich das Zuschauen nicht länger verkneifen konnte. Die Bilder waren zwar verschwommen, doch konnte er das ein oder andere erkennen.
    »Die zeigen Städte im Süden«, rief Tega, sobald das Bild etwas besser wurde. Jubril, der sich seit Beginn seiner Flucht danach gesehnt hatte, den Süden kennenzulernen, schaute jetzt ohne zu blinzeln auf die Mattscheibe. Er betrachtete es als Einstimmung auf das, was ihn erwartete.
    Erst schlug der Zauber des Fernsehens Jubril in seinen Bann, dann war er entsetzt. Er sah, wie Polizei und Soldaten in verschiedenen Städten im Süden brutal gegen Demonstranten vorgingen. Er sah, wie sie in den Mob schossen, um die durch die Ankunft von Luxusbussen aus dem Norden ausgelöste Unruhe zu bändigen. Er sah von Soldaten und Sicherheitsbeamten bewachte Kasernen vor Leuten aus dem Norden überquellen. Und trotz der Übermacht der Sicherheitskräfte zogen sich die Rebellen nicht zurück. Ihm fiel auf, dass viele Leute westliche Kleidung trugen und Frauen neben Männern demonstrierten. Jubril sah die dichte Vegetation des Regenwalds, sah die Natur in voller Blüte, die hier so ganz anders war als in der Halbwüste von Khamfi.
    In jener Nacht machte ihm der Bildschirm klar, dass der Süden anders war, als er ihn sich vorgestellt hatte. Die Straßen waren primitiv, an manchen Stellen vom Regen völlig fortgewaschen. Die Militärjeeps kamen nicht weiter, und die Soldaten mussten aussteigen, um die Rebellen zu

Weitere Kostenlose Bücher