Sag, dass du eine von ihnen bist
winkten verzweifelt, um die Busse zu stoppen. Vergeblich versuchte die Polizei, die Massen zu bändigen und von den Straßen fernzuhalten. Die meisten Busse wurden zwar langsamer, um Unfälle zu vermeiden, aber sie hielten nicht an.
Als einer der Busse schließlich doch anhielt, wurde er gleich von der Menge umlagert. Die Leute hielten ihr Geld bereit, winkten damit und waren willens, exorbitante Preise zu zahlen, um nach Hause zu kommen. Die Polizei befahl ihnen umgehend, sich in Reihen anzustellen, während die Schaffner damit begannen, Fahrkarten auszuhändigen und Geld einzusammeln. Einige Flüchtlinge gaben ihnen sogar mehr Geld als nötig. So machten die Beamten sogar noch Profit beim Fahrkartenverkauf.
»Nur tapfere Menschen dürfen in diesen Bus«, sagte ein Polizeibeamter und blockierte die Tür, »keine Memmen.«
»Es gibt nichts, was wir nicht schon gesehen haben«, rief eine Frau.
»Wir zahlen, was immer Sie an Schmiergeld verlangen«, sagte ein anderer Passagier.
»Wir müssen unter allen Umständen nach Hause.«
Doch als die Türen geöffnet wurden, stieg ein Schrei aus der Menge auf. Die Wartenden zuckten zusammen bei dem Anblick, der sich ihnen bot, und sie wichen zurück. Nur die vorderen Plätze waren frei, überall sonst lagen Leichen im blutverschmierten Bus. Die Sitze waren von Toten jeglicher Größe und Gestalt belegt, mit den Leichen von Kindern, Frauen und Männern. Der Gang war unpassierbar, Körper stapelten sich bis hoch zu den Sitzen. Es war, als wäre ein rappelvoller Bus niedergemetzelt worden. Die meisten Leiber wiesen Wunden auf, manche waren angebrannt. Hier und da lagen einzelne Leichenteile.
Emeka begann zu wimmern. Seine Trauer schien ansteckend, und es war, als bräche im Busbahnhof ein Damm, der die Gefühle bislang zurückgehalten hatte. Man weinte um die Toten. Der Kummer war so groß, dass man den Bus nicht fahren lassen wollte, doch brachte man auch nicht gleich den Mut auf, ihn zu betreten. Die Menschen wussten, es waren die Leichen von Landsleuten aus dem Süden, und sie bildeten vor dem Bus eine Blockade. Vergebens forderte die Polizei sie auf, doch einzusteigen.
Emeka fragte die Polizei, ob er nicht zurück in den ersten Bus gehen dürfe, er ertrüge es nicht, im zweiten mitzufahren. Man hörte ihn weinen und dann aller Welt erzählen, was ihm im ersten Bus widerfahren war, nur schien niemand in der rechten Stimmung für seine Heilige-Geist-Geschichte zu sein. Es war, als hätten die Flüchtlinge nach dem Anblick, der sich ihnen jetzt bot, die Aura und das Mysterium der Welt des Heiligen Geistes hinter sich gelassen. Emeka zeigte den Polizeibeamten seinen Fahrschein, doch warf man ihm nur vor, die hier
gestrandeten Flüchtlinge zur Blockade aufgestachelt zu haben; außerdem hieß es, man hätte ihn schon von Anfang an für einen Querulanten gehalten, bereits als er bloß zehn Naira bot, um das Satellitenprogramm zu sehen. Die Polizisten sagten, sie würden schon dafür sorgen, dass er als Letzter den Busbahnhof verließ.
»Wer will noch mit diesem Bus fahren?«, fragten sie die Menge.
»Gebt uns etwas Zeit«, erwiderte einer der Flüchtlinge.
»Der Fahrer von diesem Luxusbus hat keine Zeit zu vertrödeln, okay?«, erwiderte einer der Polizisten. »Tut einfach, als wären die Leichen lebendig, oder stellt euch tot … Gestern Abend sind jede Menge Flüchtlinge eingestiegen, und die sind sicher längst zu Hause … oder wollt ihr, dass wir die Toten aus dem Bus holen?«
»Nein, wir müssen unsere Toten heimbringen«, sagte jemand.
»Wir werden sie niemals im Norden zurücklassen!«
Mit kurzen, heftigen Windstößen beschnüffelte der Harmattan das Land und wirbelte niedrige Wolken mit schwerem Staub auf, der den Flüchtlingen in Nasen und Augen brannte. Was sie an Tüchern bei sich hatten, zogen sie enger um sich und sammelten sich hinterm Bus am warmen Auspuff.
Die Polizei hievte den Kranken von der Veranda und brachte ihn zum Luxusbus. Er brabbelte nicht mehr vor sich hin, war aber noch schwach und fuchtelte kraftlos mit den Armen. Er beschwerte sich, als die Polizei ihn im Bus absetzte.
»Ich will nicht mit diesem Bus fahren!«, stöhnte der Kranke.
»Aber du bist doch schon so gut wie tot!«, schrie einer der Beamten zurück. »Und Gleich und Gleich gesellt sich gern!«
»Bitte, lasst mich im Norden sterben!«, flehte er sie an.
»Nein, du musst nach Hause!« Daraufhin wandte sich der Beamte an die Flüchtlinge: »Seht ihr, ihr müsst nicht
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