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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwem Akpan
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Schrecken in Mallam Abdullahis Haus durchlebt und gerade die Rede von Yohanna Tijani über die großmütigen Christen im Süden gehört hatte, fand Jubril, dass seine Nation, ein solch heldenhaftes Volk, jegliche Art von Trennung und Uneinigkeit überwinden konnte. In seinem Verlangen nach Trost stellte er sich unwillkürlich vor, dass die verschiedenen Stämme seines Landes doch auf einer tiefen, ursprünglichen Ebene miteinander verbunden waren, dort, wo das eigene Leben unwiderruflich mit dem Leben des Nachbarn zusammenhängt wie das eines Kindes mit dem der Mutter.
     
    Die entsetzten Passagiere waren verstummt und Kräfte sammelnd in sich gekehrt, so dass zwischen den verschiedenen Religionen im Bus Frieden herrschte. Alle schienen es leid, irgendwem den Namen ihres Gottes ins Gesicht zu schreien. Auf der Suche nach den neuesten Nachrichten zappten die Polizeibeamten unterdessen durch die Fernsehprogramme. Es dauerte nicht lange, und sie erfuhren die Wahrheit:
     
    Eilmeldung: Gewaltsame Racheakte in Onyera
und Port Hartcourt
     
    Beide Stadtzentren waren mit Leichen übersät und blutbesudelt; die Sprecherin sagte, weitere Städte im Süden bereiteten ebenfalls Racheakte gegen Muslime und Nordler in ihrer Mitte vor. In Onyera und Port Hartcourt, fuhr sie fort, träfen immer wieder Busse mit Leichen aus dem Süden ein. Laster hätten gleichfalls damit begonnen, Leichen der bei Aufständen im Süden getöteten Nordbewohner zurück in den Norden zu bringen. Sie sagte, in den Auseinandersetzungen sei die Stammeszugehörigkeit entscheidend, da man sie an äußeren Merkmalen, an Kleidung und Sprache festmachen könne. Sie bestätigte, dass die Regierung den Transport von Leichen untersagt habe, um Racheaktionen zu unterbinden.
    Bilder von den Aufständen strömten in den Bus, und die Kameras folgten dem Geschehen, als ginge es um ein Spiel der UEFA Champions League. Jugendliche aus dem Süden waren außer Rand und Band; wie Lava aus einem aktiven Vulkan spritzten sie mit ihren Macheten, Gewehren und Knüppeln in alle Richtungen davon. Sie töteten und töteten, als könnten sie in einem einzigen Anfall von Irrsinn die vielen vergangenen und auch die künftigen Massaker an ihren Landsleuten im Norden rächen. Der Fernsehton war so klar, dass die Flüchtlinge deutlich das Schmatzen der Macheten hörten, mit dem sie ins Fleisch eindrangen, die letzten Schreie der Opfer.
    Dann teilte sich der Bildschirm in drei Fenster; das eine zeigte den Reporter, der in direktem Kontakt mit der Nachrichtensprecherin in einem anderen Fenster stand. Sie redeten über das Gemetzel, das im dritten Fenster zu sehen war. Dann rückte das dritte Fenster in den Vordergrund, die Kamera zoomte an die Moschee heran, und ihr Bild füllte den ganzen Bildschirm. Die goldene Kuppel funkelte in der Sonne wie das Scheitelkäppchen eines Bischofs; an den Ecken der Mo
schee ragten vier herrliche Minarette wie liebevoll verzierte Bettpfosten in die Höhe; der Himmel darüber glich einem tiefblauen, mit wolligen Wolken verzierten Baldachin. Wie ein Quell ewiger Frische hob sich das Grünweiß des umzäunten Vorhofs vom stetig wachsenden Chaos der Stadt ab. Jugendliche mit Fackeln in der Hand umstellten die Moschee, schlugen Türen und Fenster ein. Die Minarette begannen wie Schornsteine dicken, schwarzen Rauch auszuspeien. Da kein Wind ging, hüllte der Rauch die goldene Kuppel ein, bis sie in sich zusammenstürzte und die Moschee in einem Feuerball verschwand.
    Die Berichterstattung wandte sich wieder Khamfi zu und fasste das Geschehen der letzten beiden Krisentage zusammen. Wieder kochten im Bus die Gefühle hoch. Jubril hätte nie geglaubt, dass Leute aus dem Süden zu solcher Gewalt fähig waren. Und niemand hatte ihm je gesagt, dass Leute aus dem Norden im Süden wohnten, deren Leben nun bedroht war.
    Plötzlich sprangen alle im Bus auf und jubelten, sogar die Polizei. Sie waren wie Fußballfans, die ihre Mannschaft zum Sieg anfeuerten.
    »Wir sind es leid, die andere Wange hinzuhalten«, rief Madame Aniema.
    »Keine Leute aus dem Norden mehr im Land der Igbo!«, sagte Emeka.
    »Urhobo den Urhobos!«, schrie Tega.
    »Viermal haben die Muslime in Khamfi meine Kirche niedergebrannt!«, brüllte Ijeoma.
    Das Geschrei drang kaum bis zu Jubril durch. Das Bild einer in Flammen aufgehenden Moschee hatte ein spontanes Fieber in ihm ausgelöst, obwohl er doch selbst schon Kirchen angezündet hatte. Dieser Anblick aber war für ihn einfach zu viel gewesen, und

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