Sag, dass du eine von ihnen bist
Mama.«
Ich nickte.
»Sicher?«
Ich nickte erneut. »Ja, bestimmt, ist schon in Ordnung.«
Sie sah mich unverwandt an, und ich spürte, ich sollte noch etwas sagen, wusste aber nicht was. Jetzt, da sie mir ein bisschen Aufmerksamkeit geschenkt hatte, fühlte ich mich besser, und ich hoffte, meine Schwester würde die ganze Nacht durchschlafen.
»Danke, Mama, dafür, dass du unser Schulgeld bezahlt hast«, platzte es aus mir heraus.
»Es war mir ein Vergnügen, Herzchen.« Sie blies mir einen Kuss zu. »So verständnisvoll, so dankbar. Wir haben gehört, dass du gut in der Schule bist, sogar der Klügste. Ach, komm, setz dich zu uns. Bleib nicht so auf Abstand.«
Mit klirrenden Armreifen streckte Mama eine Hand nach mir aus. Ich ergriff sie, ging um den Tisch, und sie umarmte mich, küsste mich auf den Kopf und gab dabei so liebevoll lockende Laute von sich, als wäre ich ihr kleiner, kostbarer Schoßhund. Kaum fiel ihr auf, dass Yewa zu schwitzen begann, nahm sie den bunten Hut ab und fächelte ihr damit Kühlung zu.
»Guten Abend, Big Guy«, rief ich fröhlich, als er ins Haus kam, Lebensmittel aus dem Wagen hereinbrachte und sich vor Mama verbeugte. Big Guy gab jedoch keine Antwort. Es war, als würde er mich nicht sehen. Mama schaute ihn an, darauf mich und drückte mir dann die Hand auf eine Art, die mir sagte, dass ich ihn nicht weiter beachten sollte.
An diesem Abend war er ein anderer Mensch. Wir sahen ihn zum dritten Mal, und wieder schien er sich gewandelt zu
haben. Heute Abend trug er die Uniform eines Beamten der Einwanderungsbehörde. Im Schein unserer Lampe erinnerte das Barett auf seinem rasierten Schädel an einen Irokesenschnitt, und die Ärmel zierten lange Streifen. Er wirkte größer als sonst; sein Hemd war aufgebläht, wie aufgepumpt von Maniokstärke, und die Uniformhose hatte scharfe Bügelfalten. Die Schuhe glänzten, und bei jedem seiner militärischen Schritte scheuerten die Hosenbeine aneinander. Er bewegte sich steif wie eine Leibgarde in Anwesenheit eines ausländischen Königspaares.
Als er zurückkam, herrschte Mama ihn an: »Pascal hat dich gerade gegrüßt! Ignoriere jamais meine Kinder!«
Wie vor der Landesfahne blieb er stocksteif stehen. »Oh, tut mir leid, Madame Ahouagnivo. Je suis très désolé …«
»Antworte dem Jungen, jo o . Um mich geht es hier nicht.«
»Entschuldigen Sie … Bon soir , Kotchikpa.«
»Nein, Pascal«, korrigierte ihn Mama.
Er verbeugte sich und sagte: »He, schöner Name.«
»Guten Abend«, grüßte ich ihn erneut.
Es dauerte nicht lange und er hatte unseren Tisch mit Essen beladen: Krebssuppe, Berge von in frische Blätter gewickeltem akasa , Makkaroni, Couscous und Eintopf. In einem Topf Paprikasuppe schwammen Stückchen Wild, umschnürt mit weißen Fäden, und in so manchem Fleischbrocken steckten noch ein paar von den Schrotkugeln, mit denen das Tier erlegt worden war, was unser Volk ganz besonders liebte. Man isst es bedächtig und vorsichtig, teils wegen der scharfen Paprika, teils, weil man auf eine Kugel beißen könnte.
Big Guy taumelte mit zwei coolas herein, und als er sie öffnete, durchschnitt ein kalter, eisiger Lufthauch den Raum. Er stellte Coke auf den Tisch, Maltina, La-Place-Bier und Chivita -Orangensaft. Jedes Mal, wenn er hereinkam, rechnete ich damit, die übrigen Mitfahrer zu sehen. Und nur gelegentlich, wenn meine Aufmerksamkeit gerade weder Mama noch dem
Essen galt, fragte ich mich, was Fofo Kpee da draußen eigentlich trieb.
Als unser Tisch voll war, holte Big Guy zwei weitere Klapptische aus dem Auto. So viel Essen hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen, höchstens auf dem Straßenmarkt, doch Big Guy brachte immer noch mehr. Der köstliche Geruch überdeckte Mamas Parfüm, und ich war so fasziniert, dass ich nicht mal mehr Hunger spürte.
Ich schlief zwar nicht wie meine Schwester, träumte mich aber in meine eigene Welt und genoss diesen Vorgeschmack auf unser künftiges Leben in Gabun. Mir fiel ein, dass Fofo gesagt hatte, wir würden reich sein und gut essen. Für unsere Familie hatte sich in hohem Tempo allerhand verändert, doch zweifelte ich in Mamas tröstlicher Nähe keinen Moment daran, dass bessere Zeiten angebrochen waren. Es ließ sich schließlich kaum von der Hand weisen, dass unsere Pateneltern wichtige Leute sein mussten, war doch Big Guy, ein Beamter der Einwanderungsbehörde, ihr Chauffeur und Diener. Folglich fand ich es auch selbstverständlich, Gabun für ein Land der
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