Sag, dass du eine von ihnen bist
sich Yewa auf den Betonboden, aber der war zu hart für ihren aufgeblähten Bauch. Also gingen wir ins Bett. Ich lag auf der Seite, Yewa auf dem Rücken. In Gedanken war ich in Gabun. Ich sah mich in der Villa meiner Pateneltern, malte mir mein eigenes Zimmer
aus und stellte mir vor, wie es sein würde, jeden Tag zur Schule gefahren zu werden. Ich dachte daran, Schuhe zur Schule zu tragen, und an Mamas großartiges Essen, das daheim auf mich warten würde, und je länger ich daran dachte, desto lauter wurde mein Lachen, und Fofo Kpees Grimassen kamen mir immer lustiger vor. An diesem Abend spürte ich keine Müdigkeit, und eine Zeitlang war mir, als könnte ich ohne frische Luft leben und alles ertragen, ohne zu verzweifeln.
» Non , die kriegen mich nicht!«, schrie Fofo Kpee eines Abends während eines Nickerchens, auf dem er bestanden hatte, weil er zum Unterrichten zu müde gewesen war. » Mes enfants dey gehen nirgendwohin! Pas du tout .«
Yewa und ich blickten von unseren Büchern auf und sahen uns an.
» N'do ye ma jeyi ofidé! «, wiederholte Fofo Kpee auf Egun, lauter diesmal und von heftigen Bewegungen begleitet. Yewa klammerte sich an mich und wollte etwas sagen, aber ich hielt ihr den Mund zu und schob sie hinter mich. Unser Onkel wälzte sich und wand sich, als kämpfte er mit einem Löwen. Erst als er fast aus dem Bett fiel, wurde er wach, setzte sich auf und zog rasch sein Hüfttuch zurecht. Wir schwitzten alle, aber bei ihm kam die Hitze in Wellen. Da er sonst nie im Schlaf sprach, hatten uns seine Worte überrascht. Trotzdem sagte ich nichts, war aber verwirrt, bekam Angst und verschränkte die Hände wie zum Gebet.
»Alles in Ordnung, pas de problème «, sagte er, sobald er zu sich gekommen war und sah, wie wir ihn anstarrten. »Was glotzt ihr mich so an?«
»Du hast im Schlaf geredet«, sagte ich.
»Was, ich? Blödsinn«, wehrte er ab, einen Hauch von Ärger in der Stimme. »Los, wir fangen mit dem Unterricht an, d'accord? Was versteckst du dich hinter seinem Rücken, als würd ich Wolof reden?«
»Weiß nicht«, sagte Yewa achselzuckend.
»Bestimmt nicht? Oder willst heute nix lernen?«
»Natürlich wollen wir lernen«, erwiderte ich. »Bestimmt hat sie nur dein Traum erschreckt.«
Fofo stand auf und streckte sich.
»Mein Traum? Was denn für ein Traum?« Er lachte ein finsteres Lachen und seufzte. »Keine Angst.«
Ich konnte nicht sagen, ob er wusste, was er im Traum geredet hatte. Und weil ich seiner Stimme anhörte, wie verärgert er war, stellte ich auch keine weiteren Fragen. Er tat normal, konnte den Schrecken aber nicht abschütteln, mit dem er wach geworden war. Immer wieder schloss er die Augen und riss sie unvermittelt wieder weit auf, als könnte er so seine Furcht fortwischen. Dann kniff er sich in seine Narbe und schüttelte den Kopf. Er wirkte nervöser und ruheloser als an jenem Abend, an dem unsere Pateneltern gekommen waren, und er machte mir Angst, aber ich gab mich furchtlos, um meine Schwester nicht zu verunsichern. Dieser Alptraum hätte mir eine Warnung sein sollen, ein Hinweis darauf, dass unser Traum auch platzen konnte.
»Du hast noch nichts gegessen«, sagte ich besänftigend und stellte ihm eine Schale hin.
»Wer hat denn gesagt, ich will manger ?«, erwiderte er, schob die Schale beiseite, fischte unterm Bett den Gin hervor, nahm zwei kräftige Schlucke direkt aus der Flasche und räusperte sich. » Peut-être , vielleicht je veux nach Gabun aussi .« Er kicherte sinnlos vor sich hin. »Sollte ich nicht besser mitkommen und auf euch aufpassen? … Ach was, il faut que ihr seid stark!«
»Wirst du uns vermissen?«, fragte meine Schwester im abgehackten Ton eines Marktschreiers.
» Oui, c'est ça «, gab er achselzuckend zu, ohne uns dabei anzusehen. Der Schnaps hatte den Ärger aus seiner Stimme getilgt. Und je mehr er nun trank, desto gefasster wurde er, auch
wenn er nicht zu schwitzen aufhörte. »Tja, ich sollt mir keine Sorgen machen.«
Yewa ging zu ihm und stellte sich zwischen seine Beine.
»Wir vermissen dich auch, bestimmt. Tun wir doch, nicht, Pascal?«, sagte meine Schwester.
»Ja, klar«, antwortete ich. »Keine Sorge, Fofo. Bei Mama wird's uns gutgehen.«
Daraufhin sagte er nichts, saß einfach nur da, umarmte Yewa und streichelte ihr über den Kopf, wie Mama es getan hatte. Meine Schwester kletterte ihm auf den Schoß, unser Schweigen schien eine Ewigkeit zu währen. Schweiß tropfte von Fofos Gesicht auf meine Schwester, aber das
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